Vermittlung Magazin

Ein filigraner Luft-Klang-Raum

„Central Park in the Dark“ - Eröffnungskonzert der Salzburger Dialoge

Licht – so das Motto der diesjährigen Dialoge (27.11.-01.12.) der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, die Werke von Georg Friedrich Haas (*1953) und Charles Ives (1874-1954) nicht nur mit Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart, sondern auch mit Lichtinstallationen und Skulpturen der Künstlerin Brigitte Kowanz (*1957) kombinieren. Das Ausloten der Beziehung von Klang und Licht als raumkreierende und wahrnehmungsorientierte Medien steht im Zentrum der Themensetzung von Matthias Schulz, künstlerischer und kaufmännischer Leiter der Internationalen Stiftung Mozarteum.

 

Das Eröffnungskonzert am 27.11. wartete mit der Uraufführung (Wohin bist du gegangen) eines von zwei Auftragswerken der Stiftung Mozarteum von Georg Friedrich Haas auf und stellte somit einen seiner Höhepunkte gleich an den Beginn des fünftägigen Festivals. Eingebettet wurde dieses Werk für Chor und Ensemble in eine von Salvatore Sciarrino (*1947) geschaffene Bearbeitung von W. A. Mozarts Adagio für Glasharmonika KV 356, W. A. Mozarts Adagio und Rondo c-moll/C-Dur für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello KV 617 sowie in drei Werke von Charles Ives (Three Quarter-Tone Pieces für zwei Flügel; Central Park in the Dark für Ensemble; Klaviersonate Sonata Nr. 1).

 

Melodisch geführt von der Viola spürt Sciarrinos Mozart-Bearbeitung mit seinen gedämpften Streicherklängen dem sphärengleichen Ton der Glasharmonika nach. Zart und filigran gespielt kreierte das Klangforum Wien in seiner Interpretation einen luftig-leichten Klangraum, der eine Konzentriertheit im Zuhören einforderte, die auch in den weiteren Teilen des Abends zentral blieb. Denn auch Charles Ives Three Quarter-Tone Pieces erzeugten in all ihrer Kürze eine Vielfalt an klanglichen Spielereien, die hörend entdeckt werden wollten. Lief das erste Stück wie ein verspielter Dialog plätschernd dahin, gesellten sich im zweiten Stück vereinzelte harmonische Schärfen hinzu, das Klangvolumen dehnte sich aus. Immer dichter und voller wurde der Klang im Laufe des dritten Stücks, das von dem filigranen Klang mehr und mehr wegführte hin zu einem zunehmend fülligeren (und vielleicht auch etwas gewohnteren) Klavierklang. Im Zusammenspiel überzeugend interpretiert wurde diese Komposition von Joonas Ahonen und Florian Müller.

In Central Park in the Dark formieren sich langsam aber sicher Dämmerungsschleier über dem Park, die langsam vorbeiziehen, dichter werden und vereinzelt aufreißen, um dem individuellen Klang einzelner Instrumente Platz zu machen. Das Klangforum Wien unter der Leitung von Clement Power präsentierte sich als einheitlicher Klangkörper, der sich dem Notentext von Ives in ausgeprägter Klarheit und einfühlsam zuwendete. Mit seinen die weichen, fliehenden Klang unterstützenden Bewegungen erweiterte Clement Power die Musik wunderbar um ein optisches Pendant.

Nun im Original und mit realer Glasharmonika verweist W. A. Mozarts Adagio und Rondo c-moll/C-Dur KV 617 noch einmal auf das erste Stück des Abends. Klanglich weich und harmonisch gespielt, mit Christa Schönfeldinger an der Glasharmonika, kommt der Gesamtklang jedoch um eine Spur zu ernst daher.

Nach dem eher kammermusikalisch anmutenden ersten Teil des Abends erweitert Georg Friedrich Haas Komposition Wohin bist du gegangen für Ensemble und Chor (Klangforum Wien mit Salzburger Bachchor) das Klangvolumen. Der auf den Seiten des Balkons angeordnete, nach Männer- und Frauenstimmen geteilte Chor erweitert den Klangraum seitlich der Bühne und lässt (zumindest in den ersten Reihen) das Publikum in diesen eintauchen. Beginnend in einer üblichen Konzertsituation wird schon nach kurzer Zeit das Licht im ganzen Saal langsam heruntergefahren, bis völlige Dunkelheit herrscht. Die zwischen den Chorstimmen hin und her wogenden Klänge werden, je mehr man sich auf die Dunkelheit einlässt, zunehmend körperlich wahrgenommen. Klänge und Worte - das Stück beruht auf der Übersetzung eines Gedichts des persischen Dichters Fariduddin Attar (ca. 1136-1220) – strömen nicht nur durch den Raum, sondern auch durch den zuhörenden und mit geschärften Sinnen wahrnehmenden Körper. Schrille, aufschreiende Harmonien und stampfende Rhythmen korrespondieren mit den schmerzvollen und anklagenden Textpassagen auf eindringliche Art und Weise. Begeistert nimmt das Salzburger Publikum diese Uraufführung auf.

Nach einer langen zweiten Pause – insgesamt wird der Abend durch eine Fülle an Pausen unangenehm auseinandergerissen – folgt als abschließendes Stück die Sonata Nr. 1 von Charles Ives. An diesem Abend kraftvoll und energiegeladen interpretiert von Tamara Stefanovich, ist diese schwungvolle, von unterschiedlichen Jazz- und Ragtimeelementen durchdrungene Komposition ein sehr spannendes und mitreißendes Werk von Ives, das an diesem Abend jedoch deutlich deplaziert ist. Fokussierte die Programmgestaltung bis dahin eine zunehmende Sensibilisierung für das konzentrierte Hören von filigranen, zarten Klängen, öffnet Ives Sonata Nr. 1 eine völlig andere Klangebene, die am Ende des Konzertabends unmotiviert vereinzelt stehen.

 

Anja K. Arend