Vermittlung Magazin

Psychodrama um ein Haus düsterer Erinnerungen

Georg Friedrich Haas’ Oper Bluthaus bei den Wiener Festwochen

Es ist von geisterhaften Stimmen durchzogen, jenes Haus, das Nadja Albrecht von sich stoßen möchte. Die Stimmen, jene der kürzlich verstorbenen Eltern, kann nur sie hören und nur sie ist es, die von ihnen gequält wird. Die inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater hängt wie ein Schatten über ihr. Obwohl das Haus frisch geweißelt ist und Nadjas Makler Axel Freund alles tut, was in seiner Macht steht, um es an den Mann oder die Frau zu bringen, scheitert der Plan an der Vergangenheit des Hauses: es ist ein Bluthaus, ein Haus in dem Blut geflossen ist, als Nadjas Mutter den Vater tötete, um dann sich selbst das Leben zu nehmen.   

 

Soviel in Kürze zur Handlung der heuer bei den Wiener Festwochen in einer Neufassung uraufgeführten Oper Bluthaus von Georg Friedrich Haas auf ein Libretto von Händl Klaus, die im Theater an der Wien gegeben wurde.   

 

Das Libretto von Händl Klaus verbindet gekonnt und ohne plakative Allüren das Psychodrama mit dem Inzestdrama. Dabei kreuzen sich Elemente, die an Hitchcocks Psycho oder an Kubricks Shining erinnern mit Erzählsträngen der großen Weltliteratur: die geisterhaften Eltern scheinen Henry James’ Novelle The Turn of the Screw ebenso entlehnt, wie das Symbol des Weißelns aus Max Frischs Andorra stammen könnte. Auffallend ist im aus zehn Szenen bestehenden Libretto der Strudel der Sprache, der sich dadurch ergibt, dass nur selten komplette Sätze gesungen oder gesprochen, sondern meist nur Satzteile unter den Handelnden "weitergereicht" werden.

 

Von diesem Ansatz lebt auch die Musik von Georg Friedrich Haas, der auch nicht davor zurückschreckt das Psychodrama durch klopfende Rhythmen oder den Einsatz von Lautmalerischem dem Horrorgenre anzunähern. In seinem mikrotonalen Klanggebäude unterstreichen dabei nicht selten die harten Gegensätze die sprichwörtliche Härte des dargebotenen Stoffes. Demgegenüber prägt ein lyrischer Minimalismus à la Steve Reich oder Philip Glass die Entwicklung langer Melodielinien. Es ist sicherlich nicht falsch davon zu sprechen, dass sich für den Hörer ein Sog unbekannter, wie ungekannter Klänge eröffnet, welcher die Drastik des Dramas zusätzlich verstärkt ohne es aber zu verdecken. Bemerkenswert ist dabei die Aufteilung zwischen sprechendem und singendem Personal auf der Bühne. Die Welt um Nadja Albrecht, also sie, ihre Eltern und der Makler singen, während die Interessenten – mit Ausnahme der drei Kinder – sprechen.   

 

Stimmig fasst Peter Mussbachs Regie und Bühnenbild das gesamte Geschehen in einen Rahmen, welcher es nicht nötig hat dem Werk noch zusätzlich eine weitere Interpretation "aufzupropfen". Sichtbar spielt für ihn das Bluthaus selbst eine der Hauptrollen, die es in der Enge des Anfangs, während der „Nicht-Ouvertüre“ (Haas) und der Anklageszene (im goldenen Raum) und der Weite des zweistöckigen Hauses, das nur diletantisch geweißelt scheint, ausspielt.   

 

Im Mittelpunkt der Aufführung unter Leitung von Peter Rundel und begleitet vom ebenfalls großartig aufspielenden Klangforum Wien steht die Interpretation, die die Sopranistin Sarah Wegener von der jungen Studentin Nadja Albrecht gibt. Vielschichtig nicht nur im Musikalischen, sondern auch im Darstellerischen ist sie als leidende Tochter zu erleben. An ihrer Seite der zu Anfang etwas rau wirkende sich aber dann merklich steigernde Countertenor Daniel Gloger als Axel Freund. Als Elternpaar vor exteme Herausforderungen gestellt, wurden Ruth Weber (Sopran) und Otto Katzameier (Bassbariton). Letztere durfte vor allem während dem für ihn geschriebenen Solo in der "Quitteneinkochszene", in welcher die Perversion des Vaters metaphorisiert wird, glänzen.

 

Ein beeindruckender Abend der nachdenklich zurücklässt und eine der großen Produktionen der diesjährigen Wiener Festwochen.

 

Simon Haasis