Salzburg Biennale - Preisträgerkonzert

Wenn Träume klangliche Realität werden...

"Mein Dank gilt neben der hochkompetenten Jury auch den vielen Musikerinnen und Musikern, die meine Träume klangliche Realität werden lassen." Mit diesen Worten schloss Georg Friedrich Haas seine Dankesrede anlässlich der Erhaltung des Musikpreis Salzburg am Abend des 3. März 2013 ab. Vor dem offiziellen Akt der Preisverleihung, der von Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller durchgeführt wurde und der eine Laudatio des Musikredakteurs Harry Vogt folgte, konnte das Publikum, im leider schwach gefüllten Großen Saal der Stiftung Mozarteum, schon in die musikalischen Träume des Musikpreisträgers Georg Friedrich Haas und des Förderpreisträgers Aureliano Cattaneo eintauchen.

 

Den Anfang des musikalischen Programms machte das Werk tria ex uno –Sextett für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine und Violoncello (2002) von Georg Friedrich Haas (*1953). Dieses Stück repräsentiert die Programmatik der Biennale "Palimpsest – Musik über Musik" auf eine ganz spezielle Art und Weise. Haas beschäftigt sich bei tria ex uno mit dem Agnus Dei II aus der Missa L´homme armé super voces musicales von Josquin Desprez, das für Haas, wie er beim Atelier Gespräch, am Freitag, den 1. März, betonte, zu den "Höhepunkten der westlichen Musikgeschichte" gehört und für ihn "eine Wirkung wie romantische Ausdrucksmusik" hat.

Den ersten Satz von tria ex uno bildet die Originalmusik von Josquin Desprez, hierbei wird das Material für ein Trio, bestehend aus Violine, Violoncello und Bassklarinette, arrangiert. Im folgenden zweiten Satz gestaltet Haas aus dem bestehendem Material von Josquin eine kommentierende Instrumentation, die sich stark auf die Techniken von Anton Webern beziehen. Diese beiden Sätze faszinieren vor allem durch ihre für Haassche Kompositionen untypische Klanglichkeit.

Neben der Ausdruckskraft von Josquins Werk stellt auch die Kompositionstechnik des Proportionskanon für Haas eine große Faszination dar, die er im dritten Satz, wie er beim Atelier Gespräch selber betonte, "durch die Verwendung von mikrotonaler Harmonien ad absurdum führt." Weiterführend sprach Haas, dass bei der tonalen Harmonik die polyphonischen Techniken noch von großen Wert waren. Doch er glaube an die Klangpolyphonie und an die Dramaturgie der Klänge, daher wäre heute eine solche Polyphonie wertlos.

Diesen Gedankengang kann man beim Hören des dritten Satzes von tria ex uno absolut nachvollziehen, denn dieser Teil besticht vor allem durch die ebenerwähnte Dramaturgie der Klänge. Durch die verschiedenen mikrotonalen Klangfelder, die typisch für das Schaffen von Georg Friedrich Haas sind, fühlt man sich als Hörer auf einer klanglichen Entdeckungsreise durch diverse Schwebungen und Reibungen der Obertonstrukturen. Damit man aber den Boden unter den Füßen nicht verliert, baut der Komponist verschiedene Motive, wie zum Beispiel expressive Repetitionen am Klavier, ein. Dieses Werk, das exzellent von Mitgliedern des öenm (Österreichisches Ensemble für Neue Musik), geleitet von Michel Galante interpretiert wurde, präsentierte an diesem Abend einen ersten kleinen Einblick in die Klangwelt von Georg Friedrich Haas.

 

Einen Ausflug in die Klangvorstellungen des Förderpreisträgers Aureliano Cattaneo (*1974) wurde mit seinem Werk Canto für Ensemble (2011) unternommen. Der Komponist selber beschreibt sein Werk im Programm als eine Art Suche nach der Kontinuität der gesungenen Note. Zum Einen resultiert diese Suche in einer langen Spanne und zum Anderen im Zusammenfügen von Fragmenten. Vor allem die erste Herangehensweise bildet die Hautthematik dieses Stückes. Die langen Melodielinien, die stark in der ersten Hälfte von Canto hörbar sind, werden von verschiedenen expressiven Bewegungen unterstützt, verstärkt oder gar unterbrochen. Ein weiteres Mittel der Untermalung dieser Linien stellt die Verwendung eines im Innenraum präparierten Klavieres dar. Am Ende des Stückes übernehmen die rhythmischen Bewegungen, die vor allem im Saxophon zu hören sind, gegenüber der langen Spannweite der Melodien überhand und werden bis zum Schluss motivisch weiterentwickelt.

 

Auch wenn der gebürtige Italiener Aureliano Cattaneo, der in Madrid lebt und in Barcelona unterrichtet, in Österreich noch keine große Bekanntheit errungen hat, so ist er ein würdiger Förderpreisträger, auf dessen zukünftige Projekte man sehr gespannt sein darf.

 

Den Abschluss und den Höhepunkt dieses Preisträgerkonzertes bildete ...wie stille brannte das Licht für Sopran und Kammerorchester (2009) von Georg Friedrich Haas. Neben dem öenm. (Österreichisches Ensemble für Neue Musik) unter der Leitung von Michel Galante muss man bei diesem Werk vor allem der Sopranistin Sarah Wegener allerhöchste Hochachtung für ihre musikalische Leistung entgegenbringen. Das Konzept des Komponisten ist es in den instrumentalen Teilstücken die Gesangsstimme wie ein Instrument als Teil des Ensembles zu verwenden und hierbei musste mikrotonale Teiltöne von Obertonakkorden exakt intonieren. Diese große Schwierigkeit meisterte Sarah Wegener mit Bravour und das Klangergebnis, wenn sich der Gesang perfekt mit der Obertonstruktur des Kammerorchester vermischte, war absolut atemberaubend. Ähnlich wie beim dritten Satz von tria ex uno konnte man sich in diesen typischen Haas´schen Klängen verlieren.

Doch die Stimme wird nicht nur als Teil des Instrumentariums verwendet, sondern wird bei den Stücken Nr. 2, 4, 5 und 7, denen Gedichte von Georg Trakl, Theodor Storm, August Stramm und Else Lasker-Schüler zugrunde liegen, verhältnismäßig konventionell an den Text gekoppelt. Vor allem die Emotionen und die Kraft dieser literarischen Werke werden von der melodischen Gestaltung der Gesangslinie sehr stark hervorgehoben.

 

Das Publikum dankte den Interpreten für diesen musikalisch sehr aufregenden Abend und für die Verwirklichung dieser wunderbaren klanglichen Träume von Georg Friedrich Haas und Aureliano Cattaneo mit tosendem und minutenlangem Applaus.

 

Daniel Hochreiter