Salzburg Biennale -

Vinko Globokar und Weggefährten

Szenische Klangexperimente mit offenem Ende

Der letzte Komponist in der Reihe zoom der diesjährigen Salzburger Biennale ist der slowenisch-französische Posaunist und Komponist Vinko Globokar (*1934). Globokar gilt als einer der weltweit bekanntesten Posaunen-Virtuosen und setzt in seinen Kompositionen neue Maßstäbe in der Verbindung von Klangexperimenten, Sprache und politischem Engagement. In einem Ateliergespräch mit Werner Klüppelholz am Vormittag des 15. März 2013 sprach Globokar über seine musikalische Herkunft aus dem Jazz, seine verschiedensten Kompositionen und seine Weggefährten. Dies ist auch der Titel des Konzertes, das am Abend des 15. März in der Salzburger ARGEkultur stattfand und Werke Globokars sowie seines Lehrers Luciano Berio (1925-2003) und seines Kollegen und Freundes Mauricio Kagel (1925-2008) zum Klingen brachte.

 

Der Konzertabend begann mit Vinko Globokars Monolith für Soloflöte aus dem Jahr 1976. In dieser Komposition lotet Globokar die klanglichen Möglichkeiten des Instruments in aller Breite und Tiefe aus. Die Flötistin Astrid Schmeling von dem Ensemble L’ART POUR L’ART interpretiert auf beeindruckende und zartfühlende Weise dieses Werk, das Piccoloflöte, Querflöte und Bassflöte in einem fortdauernde Wechsel spielen lässt. Ohne klangliche Pause, die Flötistin arbeitet hier mit Zirkulationsatmung, verknüpfen sich die Klänge der drei abwechselnden Instrumente zu einem klanglichen Ganzen. Eine weitere Klangschicht legt Globokar in seinem Werk an, indem er die Flötistin nicht nur in die Flöte blasen lässt, sondern ihr eine differenzierte Melodie zum Summen vorgibt. So wirkt die Komposition fast wie ein Dialog zwischen Flöte und Flötistin.

 

Die Faszination der Vokalisierung von Sprache, die Globokar auch in dem Ateliergespräch mit Werner Klüppelholz betont, tritt in dem zweiten Stück des Abends Toucher für einen rezitierenden Perkussionisten (1973) deutlich hör- und sichtbar zu Tage. Globokar übersetzt Auszüge aus Bertolt Brechts Leben des Galilei ins Französische und lässt den Perkussionisten sieben Gegenstände wählen, die analog zu den Vokaltönen erklingen. So rezitiert an diesem Abend der Perkussionist Jean-Pierre Drouet verschiedene Dialoge aus Brechts Stück. Manchmal sind Sprache und Klang parallel hörbar, dann trifft auf den Klang der ausgewählten Gegenstände alleine die nur sichtbare Artikulation des Textes.

Jean-Pierre Drouet entwickelt aus dem Dialog des Stücks, dem Dialog zwischen den Klängen und dem Dialog zwischen Sprache und Klang eine fast szenische Interpretation, die zwischen ernsthafter Spannung und humorvoller Präsentation hin und her schwankt und ungemein fesselt.

 

Mit Luciano Berios Sequenza I für Flöte (1958) tritt erneut Astrid Schmeling als Flötistin vor das Publikum. Vor dem Hintergrund von Globokars Monolith wirkt Berios Komposition fast konventionell. Auch Berio spielt mit den verschiedensten klanglichen Möglichkeiten der Flöte und integriert in seiner Komposition z. B. auch das Klappern der Tasten. Er bewegt sich allerdings im dem klanglichen Rahmen, den eine einzelne Flöte als für sich stehendes Instrument schafft.

 

Am Beginn der Kompositionsarbeit von Vinko Globokar steht in der Regel ein "außermusikalisches Problem". Dies dürfte auch bei Élégie balkanique für Flöte, Gitarre und Schlagzeug (1992) der Fall gewesen sein. Das Werk setzt sich klanglich mit den Geschehnissen während der Balkankriege der 1990er Jahre auseinander. Die drei Musiker Astrid Schmeling (Flöte), Michale Schröder (Gitarre) und Johannes Fischer (Perkussion) bringen sowohl eindeutige Kriegsgeräusche wie Marschrhythmen, Hackenschlagen und Schreie als auch das Chaos und eine beängstigende Ruhe zu Gehör. Johannes Fischer agiert als Perkussionist mit vollem Körpereinsatz. Er springt, schlägt sich auf die Brust, singt, schreit und spielt (fast wie nebenbei und selbstverständlich) ein großes Arsenal an Schlagwerk. Ein Werk, das wie Toucher nicht allein durch seine klangliche Vielfalt und Darstellungskraft überzeugt, sondern mit seiner szenischen Dimension das Hören um das Sehen erweitert.

 

Abschließend erklingt Mauricio Kagels Acustica für experimentelle Klangerzeuger und Lautsprecher (1968/79), in dem Globokar einst selbst als Musiker mitwirkte. Vier Musiker sitzen einzeln an Tischen, umgeben von verschiedensten Alltagsgegenständen. Auf unterschiedlichste Art und Weise werden damit Geräusche erzeugt. Dass die Musiker bei ihrem Tun beobachtet werden können, lässt das Werk wie ein kleines Theater der Alltagsgeräusche erscheinen, in dem sich der Klang und die Aktion der Klangerzeugung zu einem Ganzen verbinden.

 

Ein szenischer Konzertabend, der den Klang und sein Erleben mit allen Sinnen in den Mittelpunkt rückt. Die Musiker des Ensembles L’ART POUR L’ART und Jean-Pierre Drouet überzeugten ein weiteres Mal als klanglich und szenisch vielseitige Interpreten. Und nachdem Vinko Globokar das vormittägliche Ateliergespräch mit den Worten "ich weiß nicht wohin es geht, ich weiß nicht was ich mache, deswegen komponiere ich" schloss, dürfen wir auf weitere spannende Werke gespannt sein.

 

Anja Arend