Salzburg Biennale - Abschluss: Ensemble Modern Orchestra

Nichts geht ohne Mozart und Beethoven oder aus alt mach neu

Das Abschlusskonzert der Salzburger Biennale 2013 präsentierte im Großen Saal der Universität Mozarteum mit Werken von Helmut Lachenmann (*1935) und Hans Zender (*1936) nicht nur zwei führende zeitgenössische Komponisten, sondern mit dem Ensemble Modern Orchestra unter der Leitung von Peter Hirsch auch das weltweit einzige Orchester, das sich voll und ganz auf die Aufführung Neuer Musik des 20. und 21. Jahrhunderts spezialisierte.

Abgerundet wurde diese hochkarätige Besetzung mit der Klarinettistin Nina Janßen-Deinzer. Nachdem das letzte Wochenende in großen Teilen durch klangexperimentelle Kompositionen geprägt war, schloss die Salzburger Biennale mit diesem Konzert an ihr diesjähriges Programm Palimpsest. Musik über Musik an. Beide Komponisten nehmen in ihren Werken deutlich Bezug auf zwei der bekanntesten Kompositionen der Klassik: Lachenmann kreierte sein Accanto – Musik für einen Klarinettisten mit Orchester (1976/2006) vor der Folie von W. A. Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur KV 622 und Zender variiert und interpretiert in 33 Veränderungen über 33 Veränderungen – Eine "komponierte Interpretation" über Beethovens Diabelli-Variationen (2011) dieses bekannte Werk Beethovens.

 

Dem äußeren Anschein nach beginnt Accanto – Musik für einen Klarinettisten mit Orchester ganz konventionell. Ein Orchester hat auf der Bühne Platz genommen, bevor sein Dirigent mit der Solistin erscheint. Ein wenig Verwunderung löst die Solistin Nina Janßen-Deinzer eventuell mit ihren drei mitgebrachten Klarinetten, darunter eine Bassklarinette, aus. Die Solistin und das Orchester setzen an und schon ist nach den ersten Klängen klar, dass es sich hier zwar um ein Klarinettenkonzert handelt, aber sicherlich nicht im herkömmlichen Sinn. Zarte, durchsichtige Klänge füllen den Raum. Anstatt eine auskomponierte Melodie zu formen, bringen die Musiker ihre Instrumente durch ihre Atemluft zum Klingen, unterstützt von den im Hintergrund bleibenden Streichern. Klangelemente werden von einer Instrumentengruppe zur anderen weitergegeben, aufgenommen und leicht transformiert. Es entsteht eine Klangwolke, die aus schwingender Luft und einzelnen Bruchstücken melodischer Prägung zu bestehen scheint. Die Streicher spielen mehr im Pizzicato als gestrichen. Diese kurzen, spitzen Töne durchbrechen die sich als großes Ganzes bewegende Klangwolke – ein spannender Kontrast im Orchester entsteht. Die Solistin wechselt zwischen aggressiv anmutenden Schärfen und schwelgerisch-romantischen Passagen. Schon bald wird deutlich, dass sich dieses Stück als Schwerstarbeit für die beteiligten Musiker darstellt und eine hohe Konzentration aller Beteiligten fordert. Durchbrochen wird diese Konzentriertheit und Präzision vereinzelt durch  Einspielungen von Bruchstücken aus Mozarts Klarinettenkonzert, kurze Pausen in diesem hochkomplex anmutenden Werk und eine Reminiszenz an Mozart und das Solistenkonzert als eigene musikalische Gattung. Eine Komposition, die es auf beeindruckende Weise schafft, Altes mit Neuem zu verbinden und ein Ensemble, das durch seine Interpretation einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

 

Für das zweite Stück des Abends, Hans Zenders 33 Veränderungen über 33 Veränderungen –Eine "komponierte Interpretation" über Beethovens Diabelli-Variationen, das bei der Biennale seine Österreichische Erstaufführung erlebt, wird das Orchester auf die Größe eines Kammerorchesters reduziert, Harfe und Akkordeon kommen hinzu und das Schlagwerk wird erweitert. Zender lässt seine Veränderungen mit einer an Streichquartette erinnernden Klarheit beginnen und kommt im weiteren Verlauf einer sich wellenartig aufbäumenden Klangfülle immer wieder zu dieser kammermusikalischen Durchsichtigkeit zurück. Kontraste schaffen das Schlagwerk, das immer wieder durch stark rhythmische Passagen zu stören scheint und das plötzliche Auftauchen scharfer, metallischer Klänge. Wie Lachenmann baut auch Zender einzelne Zitate, diesmal aus Beethovens Komposition, ein. Ein ganz deutlicher Bezug wird am Ende des Stückes hergestellt, wenn von der Seite der Bühne ein verstecktes Klavier erklingt.

Eine Komposition, die immer mal wieder für Überraschung sorgt, sich im Großen und Ganzen jedoch innerhalb fester Grenzen bewegt.

 

Ein Abschlusskonzert, das in erster Linie durch seine Musiker besticht. Während Lachenmanns Accanto sicherlich eine äußerst spannende Auseinandersetzung mit dem Thema Palimpsest. Musik über Musik darstellt, würde man sich vielleicht zum Abschluss eines durchwegs gelungenen Festivals ein etwas vielseitigeres Programm wünschen.

 

Anja Arend