Frag den Mond…“  Lieder von Julie von Webenau, neu instrumentiert

Endgültig sind wir es leid, das Feiern von zweihundertsten Geburtstagen. Nach Wagner und nach Verdi geht eigentlich nichts mehr. Aber bitte: vergessen Sie nicht unser Geburtstagsfindelkind! Am 16. Oktober - vor 200 Jahren - kam Julie von Webenau zur Welt. Selbst unter Genderforscher_innen ist – wenn es hochkommt – bloß ihr Name bekannt, kaum aber ihre Werke. Doch sind sie Kleinodien einer Geselligkeitskultur des mittleren 19. Jahrhunderts. Julie von Webenaus Klavierlieder wagen Mondscheintonarten und überaus flinke enharmonische Verwechslungen: lauter Farben, lauter Fragen. Wunderbar eignen sie sich, um in Orchesterlieder verwandelt zu werden.

 

 „ein gebildet musikalisches Gemüth“

so beschreibt G.W.Fink 1831 in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung die Komponistin und Pianistin Julie von Webenau, auch bekannt als Julie Baroni-Cavalcabò  (geboren 1813 in Lemberg,  gestorben 1887 in Graz). Durch die wöchentlichen musikalischen Gesellschaften, die in ihrem Elternhaus stattfanden, kam sie schon früh mit Musik in Berührung. Sie selbst spielte ausgezeichnet Klavier, Kompositionsunterricht erhielt sie von Franz-Xaver Mozart, auf eine ihrer Konzertreisen lernte sie 1835 u.a. Robert Schumann kennen, der ihr wenige Jahre später seine Humoresque op. 20 widmete. Sämtliche ihrer heute überlieferten Werke erschienen bei renommierten Verlagen – ein Beweis ihrer Begabung. Auch in den Zeitungen wurde über ihr Talent gesprochen. Ihre Karriere wurde bereits 1838 beendet, denn: sie heiratete – das bedeutete im 19. Jahrhundert für Frauen nahezu immer ein Aus für das Komponieren und Klavierspielen im öffentlichen Raum.

Zwei Studentinnen und zwei Studenten der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien haben im Rahmen eines Kurses zur „Stilgeschichte der Instrumentation“ an diesen traurigen und zugleich zärtlichen und interessanten Gesängen gearbeitet. Die Orchestrator_innen Katharina Blassnigg, Monika Ciernia, Philipp Hribernig und Stefano Penzo leisten sich eine Besetzung, die die zeittypische Größe dieses Genres manchmal überschreitet. Möglich wird so eine leichte Färbung – mit Blick aus der Zukunft auf die Kompositionen des 19. Jahrhunderts. Manchmal greifen auch neuere Spieltechniken in den historisch verbürgten und versuchsweise treu kopierten Orchesterliederklang um 1840 ein. Ein wenig metallisch-perkussiver Glanz, wenigstens zum Jahrestag... Das Orchestrator_innenquartett hat den Zyklus den enthusiastischen und geduldigen Musiker_innen des Akademischen Orchesters der Wirtschaftsuniversität Wien. „Frag den Mond“ soll eine Komponistin ins Licht rücken, die, wie viele ihrer Kolleginnen, in Vergessenheit geriet, weil sie schon aufgrund ihres Geschlechtes nicht in die Genieästhetik des 19.Jahrhunderts passte.

Neben den Stücken der Jubilarin stehen noch zwei weitere außergewöhnliche Kompositionen auf dem Programm. Die Symphonie Nr.1 in e-Moll von Jean Sibelius ist besonders aktuell. Bis heute gelten seine Formkonzepte und sein Spiel mit dem Faktor Zeit für Komponist_innen innovativ. Fast scheint es, als komponierte Sibelius eine „Musik der grünen Bewegung“, in der das musikalische Material mit seiner Keimung, seiner Diversifikation und seinem Welken in einem Prozess vorgeführt wird, der mit dem organischen Wachstum der Natur verglichen werden könnte. Die für den World Trade Fair komponierten Five Variants of Dives and Lazarus von Ralph Vaughan Williams (UA New York 1939) gewinnen aus der Warte des modernen Antikapitalismus mit Zizek‘scher Prägung ebenfalls unerwartete Aktualität.  

Mitwirkende sind Tamara Ivanis (Sopran), Irena Weber (Mezzosopran), Wolfgang Stefan Schwaiger (Bariton) sowie das Akademische Symphonie Orchester Wien unter der Leitung von George Jackson.