Vermittlung Magazin

Emily Howard im Portrait

PORTRAIT
Axel Petri-Preis

studierte Musik-erziehung, Germanistik und Musikwissenschaft in Wien. Musikerzieher, Autor von musikwiss. Texten und Einführungstexten und Dramaturg (Neue Oper Wien). Leiter der Musikvermittlung und redaktioneller Leiter von terz.

www.terz.cc

Die 1979 in Liverpool geborene Komponistin Emily Howard stammt aus einer musikbegeisterten Familie. Die Mutter eine Pianistin, der Vater Cellist beim Liverpool Mozart Orchestra, wurde im Hause Howard regelmäßig kammermusiziert. Vom Vater, neben seiner musikalischen Tätigkeit auch Arzt, und den Großeltern mütterlicherseits (beide Chemiker) kam auch die erste Begeisterung für Naturwissenschaften. Besonders vom Periodensystem und dem Sonnensystem zeigte sich die junge Emily Howard nachhaltig begeistert, was sich in späteren Kompositionen niederschlagen sollte.

 

Mit sechs Jahren erhielt sie ihren ersten Cellounterricht, zuerst vom Vater, später von Gethyn Jones, Cellistin des Royal Philharmonic Orchestra. Aus der selben Zeit stammen auch Howards erste Kompositionsversuche. Ein Werk der 8-Jährigen, das mit Hilfe der Mutter entstanden ist, wurde ebenso wie Autumn der 10-Jährigen (diesmal ohne elterliche Mithilfe) vom Liverpool Mozart Orchstra aufgeführt.

 

Ihre Affinität zu mathematischem und strategischem Denken führte sie außerdem zum Schach, wo sie ab 1990 sechs aufeinanderfolgende Jahre British Junior Girl Chess Champion war.

 

Am Lincoln College der Oxford University studierte sie von 1997–2000 Mathematik und Computerwissenschaften, bevor sie am Royal Northern College of Music, wo sie nun selbst Komposition unterrichtet und wo bereits Sir Harrison Birtwistle und Sir Peter Maxwell Davies studierten, begann, bei Adam Gorb Komposition zu studieren. Ihr Doktorat in Komposition erhielt sie 2010 nach einem Studium bei John Casken an der University of Manchester.

 

Einer größeren Öffentlichkeit wurde die junge Komponistin erstmals im Jahr 2008 bekannt, als im Zuge des EU-Kulturhauptstadtjahres in Liverpool ihr Werk Magnetite vom Royal Liverpool Philharmonic unter der Leitung von Vasily Petrenko uraufgeführt wurde. Weitere große Aufträge, wie Solar für das London Symphony Orchestra, ließen nicht lange auf sich warten und wurden von der britischen Presse hymnisch aufgenommen. 2011 widmete WIEN MODERN Emily Howard einen Schwerpunkt im Rahmen der UK Collection und brachte auch somit auch dem Wiener Publikum die Musik der jungen Komponistin zu Gehör.

 

In ihren Werken zeigt sich ein großer Einfluss ihrer Affinität zu naturwissenschaftlichen und mathematischen Phänomenen. So beschreibt sie beispielsweise, dass „shape“, also Form, ein besonders wichtiges Element in ihren Kompositionen darstellt, die sie häufig mittels exponentieller Kurven erarbeitet. In ihren großen Orchesterwerken Magnetite und Solar bezieht Howard sich auf das Phänomen des Magnetismus als kompositorisches Prinzip, indem sie die Idee einander anziehender und abstoßender Klänge und musikalischer Verläufe musikalisch umsetzt. In ihrem Ada Lovelace-Zyklus Calculus of a Nervous System, Mesmerism und Ada Sketches widmet sie sich dem Leben und der Gedankenwelt der Tochter Lord Byrons, die durch ihre Zusammenarbeit mit Charles Babbage und ihre Kommentare zur Analytical Engine (dem ersten Vorläufer der modernen Computer) als erste Programmiererin gilt.

Doch nicht ausschließlich den naturwissenschaftlichen und mathematischen Phänomenen gilt Howards Interesse, sondern mindestens ebenso den Geschichten und Mythen, die sich dahinter verbergen. Dem für ihr erstes großes Orchesterwerk namensstiftenden Magnetit wurde bereits von Hildegard von Bingen heilende und aktivierende Eigenschaften zugeschrieben. Auch an der Figur der Ada Lovelace interessieren Howard nicht nur die mathematischen Implikationen, sondern auch deren verschlungene Lebenspfade als Tochter des großen Dichters Lord Byron und Pionierin der Mathematik im viktorianischen England.

 

Emily Howards Tonsprache ist von einem erweiterten Tonalitätsbegriff geprägt. Bi- und Polytonale Stellen, Dur-und-Moll-Klänge und konsonante Intervalle finden ebenso Einsatz wie mikrotonale Verschleierungen (Howard nennt sie "retuning") und clusterartige Tonschichtungen.

 

Howards nächstes großes Projekt ist die Kurzoper Zátopek! im Rahmen der Cultural Olympiad London 2012, in der sie sich mit dem tschechischen Läufer Emil Zátopek auseinandersetzt.