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2/2014 Shakespeare im zeitgenössischen Musiktheater
© Lena Kernroute retour
Musiktheatrale Zellteilungen
STATEMENT
Annette Schönmüller
absolvierte vor ihrem Gesangsstudium (bei Colleen Rae Holmes) an der Wiener Musik-universität auch die Studiengänge Konzertfach Orgel, sowie Musik-pädagogik/Dirigieren mit Auszeichnung und ist Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbandes (2000). Sie verfügt weiters über eine 10-jährige klass. Ballettausbildung.
Als ich Katharina Klement vor drei Jahren um eine textlose Stimme solo - Komposition für mein szenisches Vokalisenprojekt "vocal textures" in Wien bat, war mir bald klar, dass ich mit ihrer Arbeit eine Expedition zum Kern der menschlichen Stimme antreten würde.
Es wurde ihre (und in Folge meine) route retour, ein vokales Anagramm, ein stimmliches Pallindrom: ein radikaler one woman – Expeditionstrupp, der "durchgeschüttelt" immer neue vokale Reflexionsgebiete erkundend (k)ein Vor und Zurück, keine Kompromisse oder Ausweichmanöver auf seinem (scheinbar) festgeschriebenen Weg vorsieht.
Last exit – Warnungen, den Ausgang nicht zu verpassen, den Abgang aus dem Stück gar – nicht vorgesehen. Oder doch? Und: Wo kämen wir da hin? Achtung: Türen öffnen und schließen selbstständig – Don´t push or pull!
route retour zielt auf den letzten Ausgang der menschlichen Existenz und nimmt Ausführende wie Zuhörende dabei ganz ohne Vorwarnung auf diesen Weg (emotional) mit.
Diese integrierte Rute entpuppte sich als präzise Lehrmeisterin vokaler Konzentration:
Beginnt der Atem, wenn der Atem Beginn ist?
Sind Stimmbänder (Fall-)Türen, die sich beliebig öffnen, halb oder ganz schließen lassen?
Folgt der Herzschlag einem aus- und und einatmend pulsierenden "e" – Vokal oder verhält es sich genau anders?
Habe ich die Kontrolle über den vor mir liegenden Weg oder er über mich?
Die ca. 13 – minütige route retour löste beim Publikum bei jeder der Vorstellungen im Weißen Saal des Wiener OFF-Theaters heftige Reaktionen von Betroffenheit aus. Die einhellige Meinung, die Leo Krischke, der Regisseur der "vocal textures", und ich zu hören bekamen: "Das beste Stück des Abends" (J. Cage, I. Xennakis, G. Scelsi, O. Messiaen uva waren – dies sei nicht verschwiegen – auch Teil des Programmes).
Als Katharina Klement ihr Stück aber kurz vor unserer Premiere im Feber 2011 erstmals in seiner szenischen Umsetzung sah, schien sie irritiert.
Während wir überzeugt waren, so zurückhaltend als möglich das Stück für sich sprechen zu lassen und durch keine szenischen "Aktionen" zu stören, schien ihr bei der ersten Begegnung mit ihrem Stück innerhalb der "vocal textures" eher das Gegenteil der Fall zu sein.
Unsicherheit machte sich breit. Im anschließenden Austausch wurde uns jedoch schnell klar, dass nicht wir als Produktionsteam und Ausführende , sondern das Stück selbst offensichtlich diese archaischen, existentiellen Bilder generierte, welche durch die Zuhörenden individualisiert in Szene(n) gesetzt wurden.
Diese Annahme wurde uns vom Publikum bestätigt.
Das Stück hatte sich anarchistisch auf seine eigene Reise durch unsere Wahrnehmungswelten begeben und dreht sich nicht einmal mehr nach uns um.
Vokalise von Katharina Klement bei "Vocal textures" (UA Feb. 2011):
Kürzlich hörte ich dann KKs Stück Jalousie (2009) für Saxophonquartett.
Die Grundidee dahinter: "konkrete Aufnahmen, die alle an einem Ort aufgenommen wurden: in einem Zimmer bei geöffnetem Fenster hinter geschlossener Jalousie, zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten. Eine Auswahl daraus wurde spektral wie zeitlich analysiert und im weitesten Sinne, ohne Anspruch auf Realitätstreue instrumental übersetzt, resynthetisiert." (KK)
Sounbeipiel Jalousie:
Wieder tauchte es (wohl nicht nur in mir) auf: das Setting, nicht starr, sondern beweglich, belebt, ein musiktheatraler Raum, der bereits durchschritten, durchmessen wird, keimt, aufbricht – (noch) ohne diesbezügliche "Absicht" der Komponistin.
Am selben Abend hörte ich zufällig, dass auch Gerhard Schedl, der große und viel zu früh verstorbene österr. Musikdramatiker, einmal eine ähnlich wie die der Jalousie zugrunde liegende Idee verfolgt habe (was Katharina Klement zur Zeit ihrer Arbeit an diesem Stück nicht bekannt war).
Die Route ruft. Sans retour.