Vermittlung Magazin

Klavier, Komposition, Konzert

Katharina Klement im Gespräch

INTERVIEW
Barbara Preis

dissertierte in Musikwissenschaft. Ihr Doktorat führte sie auch an die Columbia University in New York City. Sie absolvierte den Lehrgang für Kulturmanagement an der Musikuni Wien. Seit 2008 ist sie Assistentin der Intendanz der Neuen Oper Wien. Seit 2011 ist sie Geschäftsführerin von www.terz.cc

Aus Anlass des terz-Schwerpunkts auf Katharina Klement traf Barbara Preis die Komponistin und Pianistin in ihrer Wohnung im 20. Bezirk. Inmitten von unzähligen Kunstwerken, Skulpturen und Büchern, und neben dem – den Raum prägenden – schwarzen Flügel, sprachen die beiden über das Spannungsfeld von Komposition und Improvisation, den Drill in der Konzertfachklasse und den Wunsch, ein Musiktheater zu schreiben.

 

terz: Wie bist du zur Musik gekommen, und da du auch Klavier studiert hast: Warum das Klavier?

 

Klement: Weil ich in einem sehr musikliebenden Haus groß geworden bin und das von klein auf von meinen Eltern gefördert wurde. Wir haben alle ein Instrument gelernt. Das Klavier habe ich bei meiner Blockflötenlehrerin gesehen und dieses große schwarze Ding hat es mir von Anfang an angetan. Ich habe Klavier am Konservatorium in Graz gelernt. Das war während der gesamten Kindheit und Jugend meine Insel, ich verbinde sehr positive Erinnerungen damit. Ich habe sehr gerne gespielt. Der erste Bruch war mit 17, bevor ich die Schule fertig hatte, weil es im Raum stand, ob ich das beruflich mache oder studiere. Im Studium musste man von Anfang an wieder alles zurückerobern. Dieser kindliche Zugang, der sehr erfrischend und fraglos war, war verschwunden. Das Klavier war stets meines und alle haben immer gesagt, wie gut ich bin und plötzlich war das alles anders. Ich habe überhaupt nichts mehr gewusst. Und es war ein langer Weg und ein Hin und Her.

 

terz: Gab es ähnliche Brüche beim Komponieren auch?

 

Klement: Nein. Das war dann klar. Für mich wurde es dadurch, dass ich das Klavierstudium durchstemmt hatte, immer leichter. Es ist einfach so, dass ich einiges an Selbstvertrauen verloren hatte und es hat dann einige Zeit gedauert. Ich habe bei Dieter Kaufmann studiert und der ist auch nicht eine Person, die sich als Autorität aufspielt. Da war ich gefestigt und älter. Solche Dinge sind Loslösungsprozesse.

 

terz: War für dich die Entscheidung klar, dass du Konzertpianistin werden willst?

 

Klement: Nein, ich habe mich von Jugend an dagegen gesträubt. Ich bin mit 19 im zweiten Anlauf in die Konzertfachklasse gekommen und das war für mich der pure Horror. Der Drill, das wollte ich, glaube ich, nie. In Graz, wo ich herkomme, hat es diese Jazzabteilung gegeben und viele Jazzkonzerte und da dachte ich mir, das ist eine Musik, die kann man frei spielen, die war lebendig und das war, was mich angesprochen hat, was ich gesucht habe. Ich habe immer schon nach Improvisation gesucht. Ich habe dann die Komposition als Gebiet entdeckt, wo man einfach selber Musik erfinden kann. Da habe ich mir gedacht, das ist es.

 

terz: War die Improvisation der Weg zur Komposition?

 

Klement: Ja und nein. Es war ein Weg dahin, aber nicht der einzige, weil eine Komposition auch etwas ganz Strukturelles hat. Dieser Ansatz, nach gewissen Regeln, Gesetzmäßigkeiten, Strukturen – so komponiert man ja – dieser ist manchmal nicht improvisatorisch.

 

terz: Wann kam die Entscheidung, Komposition zu studieren?

 

Klement: Also dieser Funke, der kam mit Anfang 20, wo ich mit Klavier sehr gekämpft habe, damals habe ich schon Dinge geschrieben. Relativ aufwendige und lange Stücke, die nie aufgeführt wurden. Bei mir hat es sehr lange gedauert, dass ich mir diese Komposition zugetraut habe. Da kommt der Aspekt der Frau ins Spiel. Für mich war das völlig undenkbar, dass man so etwas tun kann – das war in meinem Denken nicht vorhanden, keine Vorbilder usw.

Chronologisch war der Weg so: ich habe Klavier studiert, dann habe ich den Lehrgang für Elektroakustik und experimentelle Musik gemacht. Damals hat der Dieter Kaufmann den Lehrgang geleitet und der war wichtig für mich. Weil er irgendwann gekommen ist und gesagt hat: „Du, möchtest du nicht Komposition studieren?“ Und ich dachte, ja, das wollte ich eigentlich eh immer. Und die damalige Elektronik, noch mit den Tape-Stücken, das hatte etwas Materielles. Man konnte die Bänder in der Hand haben und sagen:

Ich bin jetzt die Komponistin davon. Eine Identitätsfindung. Ich hatte immer gedacht, wie dringe ich da durch, da muss man Ensembles kennen und Dirigenten und ich war ja niemand. Dieser Weg war keiner, den ich für mich gesehen hätte. Über das elektronische Medium hat man einfach den Klang in der Hand, man kann tun und sich eine Klangvorstellung verschaffen. Und dann kann man es aufführen. Man kann sozusagen diesen ganzen Weg abkürzen. Man konnte Konzerte spielen und ich konnte meine Musik machen und auf einmal hat das eine das andere ergeben.

Was ich auch sehr gerne mag, ist dieses Materielle, mit Stofflichkeit und dieses Arbeiten, sei es mit Gips, Stein, Beton, Ton...Interessanter Weise gibt es diese Wort-Parallele, also Ton – Lehm. Das kommt in diesen Stücken wie Beton wieder oder ich forme es dann um, dieses andere Medium.

Soundbeispiel Beton:

 

 

 

Granular ist auch so ein Werk. Die Aufführung war in einer Werkhalle, wo es Maschinen gibt, die zum Bau geführt werden, so kleine Dinosaurier, die den Baustoff granulieren zu wiederverwertbarem Baustoff und das hat mich gleich angeregt für eine Komposition. Und dann gibt es noch etwas Wichtiges in meiner Arbeit  Chronologie. Das ist eine Arbeit, wo es darum geht, einen Ort klanglich wie auch optisch über einen bestimmten Zeitraum zu beobachten und klangliche Proben zu nehmen und nach bestimmten Algorithmen zu bearbeiten. Also über drei, vier Wochen einen bestimmten Raum zu untersuchen, eine konzeptionelle Arbeit. Und mit diesem Material weiter zu arbeiten. Und die Aufführung davon ist wieder im selben Raum, den man beobachtet hat. Das zieht sich auch durch mehrere meiner Arbeiten. Einen Raum über Zeit zu beobachten und daraus etwas zu gewinnen.

 

terz: Also du siehst das als Vorteil, dass du deine Musik selber aufführen kannst? Es gibt ja KomponistInnen, die das nicht können.

 

Klement: Ich mache das  auch nur begrenzt. Also ich führe meine Stücke, wenn sie Tape oder fixed Media, also akusmatische Stücke, sind, gerne selber auf. Aber es gibt viele Instrumentalstücke die ich aus der Hand geben muss und ich gebe es auch gerne aus der Hand. Auch Klavierstücke, und ich finde das interessant, wenn das jemand anderer spielt.

 

terz: Wie gehst du damit um, wenn ein Klavier präpariert werden muss und dass jede(r) InterpretIn das ein bisschen anders macht, wodurch wieder neue Klänge entstehen?

 

Klement: Je mehr man komponiert, desto mehr werden mir diese fest geschriebenen Stücke lockerer. Und ich denke mir, es gibt auch da unglaubliche Bandbreiten, wie fix so etwas ist. Man schreibt das hin und denkt: es steht eh alles in der Partitur... es steht eben nicht alles in der Partitur und diese Erfahrungen mache ich auch, wie viele Missverständnisse es immer noch geben kann. Zurück zum präparierten Klavier. Ich schreibe kaum für präpariertes Klavier und wenn Präparierungen dabei sind, dann schreibe ich das möglichst genau. Und das sind möglichst objektive Dinge. Es gibt Dinge, Holzstücke, bestimmte Steine, die sind schon abgewetzt und die klingen auch nur so weil sie schon hundertmal verwendet wurden. Und wenn ich diese in die linke Hand nehme, weiß ich genau, wie ich sie halte. Das sind schon kleine Instrumente geworden. Diese Präparierungen sind mit mir schon so verwachsen. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich das jemand anderem gebe, einer guten Pianistin, die ich sehr schätze, klingt es völlig anders. Es ist phänomenal, wie Dinge anders klingen können, obwohl es identisches Material ist. Das weiß man eh, das ist beim Klavier wie bei jedem Instrument.

 

terz: Hast du beim Komponieren schon ganz klare Klangvorstellungen oder improvisierst du und verwendest die Klänge dann, um damit zu arbeiten?

 

Klement: Ja, ich glaube schon, dass ich klare Klangvorstellungen habe, vor allem: je älter man wird und je mehr Erfahrung man hat, umso genauer können sie werden. Manchmal sind sie gar nicht so genau, manchmal gibt es strukturelle Ideen, die ich verfolge. Und dann ist das Klangergebnis wie die Oberfläche einer inneren Struktur. Die Improvisationserfahrungen fließen ins Komponieren ein und umgekehrt.

 

terz: Aber gibt es zum Beispiel einen Moment, wo du sagst, ich hätte gerne diesen Klang und du weißt in dem Moment jedoch noch nicht, wie du ihn erzeugen kannst?

 

Klement: Das gibt es schon. Ich kenne das vor allem dann, wenn ich an elektronischen Stücken arbeite. Wo ich dann wirklich vor den Lautsprechern sitze und mir denke, nein, der ist es noch nicht, oder wo ich feilen kann. Bei Instrumentalstücken ist die Praxis so, dass ich mir bei der Probe dann denke: aha das klingt etwas anders. Da bin ich manchmal schon überrascht. Aber das kann man nicht mehr ändern. Denn die Praxis ist ja so, dass man drei Tage vor der Aufführung die zweite Probe hat, oder die erste. Mittlerweile sind die MusikerInnen mit zeitgenössischer Musik schon sehr erfahren. Dann gibt es 3 Proben und die Aufführung. Und meistens gibt es keine großen Änderungen, aber ich lerne daraus, dass der Klang den ich geschrieben habe eben so klingt. Das sind immer Erfahrungswerte und die fließen beim nächsten Mal ein.

 

terz: Du hast für Annette Schönmüller eine Vokalise komponiert. War der Umgang mit der Stimme etwas Neues für dich?

 

Klement: Ja, die Stimme ist ganz eine eigene Kategorie. Die Vokalise, ein Stimmstück ohne Text, das hat mich sehr gefreut, denn normaler Weise, wenn man mit Stimme arbeitet, hat man fast immer Text, und das sind wieder zwei Ebenen, die sehr schwer miteinander zu verbinden sind. Ich konnte dann damit in so natürlichem lautlichen Sinn umgehen. Die Basis der menschlichen Äußerung: das Atmen, danach: wo springt der Laut an; die Vokalise spielt eigentlich genau damit. Das fängt klanglos an, bis sich ein Klang formt mit der Stimme. Das ist ein sehr schweres Stück und ich bin sehr froh, dass Annette das auch umgesetzt hat. Ich denke, es wird nicht so viele Menschen geben, die das tun würden.

Soundbeispiel Vokalise route retour:

 

 

 

terz: Du machst sehr viele sound installations und conceptional pieces; siehst du dich auch als Klangkünstlerin?

 

Klement: Ja, dieser Ausdruck hat mehrere Konnotationen. Er fußt in dem klanginstallativen Bereich, wo es immer um Verbindung zwischen bildender Kunst mit Musik geht. Da sehe ich mich weniger. Ich bin schon einfach Musikerin, Komponistin und dass ich mit konkretem Material auch arbeite und somit Klangkünstlerin bin... Für mich trifft eher Komponistin zu. Weil ich sehr gerne strukturiere und im installativen Bereich wird oft bewusst sehr viel offen gelassen wird. Ich bin Komponistin und mache auch Klanginstallationen.

 

terz: Hast du einen geregelten Tagesablauf?

 

Klement: Ich sage immer, am besten ist es, wenn man wie eine Beamtin arbeitet. Ich kann gar nicht anders, manchmal mache ich mir einen sehr genauen Stundenplan.

 

terz: Kommt es öfter vor, dass eines deiner Werke nicht aufgeführt werden kann, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind?

 

Klement: Natürlich. Wenn man ein 7-Kanal Stück hat, mit einer ausgefallenen Instrumentalbesetzung, dann kann man ziemlich sicher sein, dass es nicht aufgeführt wird. Und das ist sicherlich leider manchmal auch so, dass man sich danach richtet, oder man weiß, wenn jemand das im Repertoire hat, dann steigen die Möglichkeiten einer Aufführung.

 

terz: Gibt es ein Genre, das du noch gerne erobern möchtest?

 

Klement: Ja, Musiktheater oder Oper im weitesten Sinn. Das ist etwas, was ich noch nie gemacht habe und das würde mich sehr reizen. Eher kleiner, eine Minioper finde ich sehr reizvoll. Wie dieses Genre funktioniert würde mich interessieren. Und szenisch zu arbeiten, das würde mich reizen, weil meine Musik sehr zur Abstraktion neigt. Wie würde ich damit umgehen, eine Geschichte zu erzählen, oder eben nicht zu erzählen. Weil sich da Literatur, Bühne, dramatisches Denken, alles Mögliche verbinden. Und auch wie man diese Stränge ins 21. Jahrhundert setzen kann. Musiktheater würde ich es am ehesten nennen.