Vermittlung Magazin

Vom Umgang mit Friedrich Cerhas Vorlass

Methoden, Theorien und das spezielle Charakteristikum des Cerha-Vorlasses

ESSAY
Sabine Töfferl

studierte Kultur- und Sozialanthropologie,
Internat. Entwicklung sowie Musik-wissenschaft, momentan PhD
Musikwissenschaft; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Archiv der Zeitgenossen.

www.archivderzeitgenossen.at

In diesem Essay geht es um den Umgang mit Friedrich Cerhas Vorlass. Ich möchte zuerst einen Überblick über die klassische Archivarbeit samt Methoden und Theorien geben, und in der Folge näher von meiner Tätigkeit und den speziellen Charakteristiken des Cerha-Vorlasses erzählen. Abschließend werden die Besonderheiten eines Vorlasses im Vergleich zu einem Nachlass sowie Vor- und Nachteile, die sich in diesem Kontext ergeben, erörtert.

 

Über das Archiv der Zeitgenossen

Das Archiv der Zeitgenossen ist eine Einrichtung des Landes Niederösterreich, die von der Donau-Universität Krems geleitet wird und am Campus Krems untergebracht ist. Im Jahr 2009 kaufte die Niederösterreichische Landesregierung die Vorlässe des Komponisten Friedrich Cerha und des Schriftstellers Peter Turrini an, womit nun insgesamt rund 570 originale Werkpartituren/-manuskripte und über 5.000 Briefe archiviert werden und für die wissenschaftliche Bearbeitung zugänglich sind. Ein umfangreicher Bestand an Rezeptionsdokumenten (Zeitungsausschnitte, Werkbesprechungen, Fotos, Programmmaterial, Bücher, Ton- und Bildträger) ergänzt die Sammlung.

 

Eine wichtige Aufgabe des Archiv der Zeitgenossen ist es derzeit, die Dokumente zu sichten sowie zu erfassen, für die Langzeitarchivierung vorzubereiten und zu katalogisieren. Gleichzeitig findet auch wissenschaftliche Forschung statt – in Projekten, mit der Organisation von Tagungen und Veranstaltungen sowie durch die Herausgabe von Publikationen werden die Geschehnisse in die Öffentlichkeit getragen. Ein besonderes Anliegen ist der Vermittlungsaspekt – ein Angebot für Schulen stellt sicher, dass das Archiv belebt wird und die nachfolgenden Generationen mit herausragenden Persönlichkeiten der Kulturlandschaft Niederösterreichs in Berührung kommen – und bleiben.1

 

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin, die mit dem Vorlass Friedrich Cerha befasst ist, sind meine Tätigkeiten dementsprechend weit gestreut: Neben der tatsächlichen Archivarbeit (Umpacken der Dokumente in säurefreie Umgebung, Erstellung einer Systematik, Katalogisierung) geht es auch um Forschung und Vermittlung. Der heurige 85. Geburtstag des Komponisten brachte es mit sich, dass auch das Archiv der Zeitgenossen Veranstaltungen zu seinen Ehren abhielt: einerseits ein Symposium zu Friedrich Cerhas musikdramatischem Werk ("Mechanismen der Macht" am 16.6.2011), und andererseits eine Ausstellung zum selben Thema (zu sehen bis Ende 2011, nach Voranmeldung). Das Erscheinen einer Publikation – ebenfalls zum musikdramatischen Werk – ist für Herbst 2012 geplant.

 

Archivarbeit: Theorie und Methoden

Um die Dokumente in ihrem bestmöglichen Zustand zu erhalten, ist es notwendig, einen sorgfältigen Umgang mit ihnen zu pflegen sowie bestimmte Lagerungsbedingungen zu schaffen. Worauf in Archiven besonders zu achten ist, wird im folgenden Abschnitt erörtert.

 

Lagerung

Alle schriftlichen Dokumente müssen von Metall und Plastik befreit werden. Sie beispielsweise in Klarsichthüllen und Ordnern stehend aufzubewahren, ist hinderlich für deren Erhaltung. Die richtige Vorgangsweise ist es, sie aus der Transportverpackung zu nehmen und in säurefreie Umgebung zu bringen. Im konkreten Fall bedeutet das, Mappen, Schachteln und Umschläge aus säurefreiem Material zu verwenden, um die Archivalien korrekt aufzubewahren. Diese Schachteln sollten so platziert werden, dass die Papiere darin liegen – nur im Ausnahmefall darf die Lagerung stehend erfolgen, denn auch das schadet den Dokumenten2.

 

Klima

Es gibt einige Empfehlungen, was Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Magazin betrifft. In der einschlägigen Fachliteratur3 herrscht eindeutig Konsens darüber, dass beide Parameter möglichst konstant gehalten und Schwankungen vermieden werden sollen, um beispielsweise Schimmelbefall und dessen Ausbreitung zu unterbinden. Für die einzelnen Materialien und (AV-)Medien gibt es eigene Empfehlungen – Magazine sollten also in verschiedene Klima-Abschnitte geteilt sein, um die jeweils idealen Lagerungsbedingungen für Papier, Schallplatten, Videokassetten, CDs, Fotos und alle weiteren Archivalien gewährleisten zu können.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Luftreinheit – Schadstoffe und Schmutzpartikel können zu erheblichen Schäden an den Dokumenten führen. In den Magazinräumen ist also eine gut funktionierende Belüftung mit speziellen Filtern unverzichtbar.

 

Licht

Die meisten Archivalien sind äußerst lichtempfindlich, das Ausmaß ihrer Strapazierfähigkeit hängt sehr stark von ihrer Materialzusammensetzung ab: Stein und Metall etwa werden von Licht weit weniger beeinträchtigt als (Foto-)Papier. Eine erste Maßnahme ist es, die Lichtintensität der Lampen im Archivbereich zu verringern. Im Magazin sollte überhaupt Dunkelheit herrschen, solange sich niemand darin aufhält. In diesem Zusammenhang bedeutet das Ausstellen der Dokumente eine besondere Herausforderung – die Exponate sollen gut sichtbar sein, also intensiv beleuchtet werden, was aber für deren Erhaltung denkbar schlecht ist. Eine Lösung liegt in der Verwendung spezieller Lampen mit integrierten UV-Filtern, eine andere – kostengünstigere – Möglichkeit ist es, mit Reproduktionen zu arbeiten. Will man aber Originale ausstellen und verfügt nicht über die oben genannten Lampen, so sollte man die Beleuchtungszeit so gering wie möglich halten und die Archivalien regelmäßig auf eventuelle schädliche Veränderungen des Materials prüfen.

 

Umgang mit Archivalien

Grundsätzlich sollte nur geschultes Personal mit den Dokumenten hantieren. Werden diese (ausnahmsweise) an BenutzerInnen ausgegeben, so müssen Letztere im richtigen Umgang unterwiesen werden. Die Vorgaben reichen vom Verbot von Speisen und Getränken in den Arbeitsräumen bis hin zum Tragen von Handschuhen. Institutionen sollten einen Kriterienkatalog zur Benützung bereitstellen, an die sich BesucherInnen unbedingt zu halten haben.

 

Datensicherung/Digitalisierung

Um die Dokumente leichter zugänglich zu machen und als zusätzliche Sicherungsmaßnahme empfiehlt es sich, den Bestand digitalisieren zu lassen. Dies betrifft alle Dokumente – sowohl schriftliche als auch audiovisuelle. Ein Vorteil dieser Vorgangsweise ist unter anderem, dass die Daten bei Anfragen schnell und unkompliziert zur Verfügung stehen und die Originale geschont werden, da sie im Magazin verbleiben können. Zu beachten ist hier allerdings, dass die Digitalisate nicht ohne weiteres ausgehändigt werden dürfen – sie sollten zumindest mit einem Wasserzeichen versehen werden, um deren Verbreitung ohne die Nennung des Rechteinhabers zu unterbinden.

Im Zuge der Digitalisierung gibt es einige Herausforderungen zu bewältigen, beispielsweise die Frage nach der Datensicherung (es müssen unbedingt Kopien angefertigt und an verschiedenen Orten aufbewahrt werden) und dem Vorhandensein von genügend Speicherkapazität. Außerdem ist es wichtig, ein Dateiformat zu wählen, von dem mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass es auch in Zukunft in Verwendung sein wird, und daher die Abspielbarkeit der Dateien zu gewährleisten. Ähnliches gilt im Übrigen auch für alle analogen Medien – ein Archiv muss darum bemüht sein, über die entsprechenden Geräte zur Wiedergabe seines audiovisuellen Bestandes zu verfügen und diese instand zu halten. Ist dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, so sollte zumindest bekannt sein, wo die Aufnahmen abgespielt werden können. Kontakte zu Institutionen, die sich mit der Erhaltung alter AV-Medien beschäftigen, sind hierbei sehr nützlich.

Ein großes Problem stellt die mangelnde Gewissheit über die Haltbarkeit der Speichermedien dar. Für externe Festplatten beispielsweise werden die Empfehlungen, wie lange sie weitgehend ohne Sorge verwendet werden können und wann sie durch neue ersetzt werden müssen, um Datenverlust zu vermeiden, ständig geändert. Hier gilt es, sich zu bemühen, am neuesten Informationsstand zu bleiben, sowie die Speichermedien regelmäßig zu überprüfen. Dieses Problem mag paradox klingen, denn die Archivalien werden digitalisiert, um sie zu sichern, überdauern jedoch womöglich in ihrer Haltbarkeit die Digitalisate um ein Vielfaches.

 

Organisation/Planung

Allgemein ist vorausschauendes Denken gefordert – die Dokumente gegenwärtig gut zu verpacken und problemorientiert zu handeln reduziert die Restaurationskosten in der Zukunft, was sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen schont.4

Bei der baulichen Planung ist es wichtig, genügend passende Räume und Arbeitsflächen sowohl für die BenutzerInnen als auch für das Personal zu schaffen, denn die Beschäftigung mit dem Archivgut sollte in ruhiger und sauberer Umgebung geschehen. Eine optimale Raumanordnung vereinfacht die Arbeitsabläufe.5

 

Anforderungen an das Personal

MitarbeiterInnen von Archiven müssen sich stets dessen bewusst sein, dass sie mit wertvollen Materialien hantieren und diese möglichst pfleglich behandeln. Dazu gehört das Beachten verschiedener Vorschriften, wie etwa die Aufenthaltsdauer im Magazin stets möglichst gering zu halten und es nur mit sauberen Schuhen zu betreten.

 

Katalogisierung/Signaturenvergabe

Um den Bestand eines Archives der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bedarf es eines entsprechenden Kataloges.6 Dieser ist heutzutage idealerweise in digitaler Form über das Internet abrufbar. Potentielle BenutzerInnen können sich vorab über die vorhandenen Materialien informieren und diese dann gezielt anfordern, wenn sie ihren Besuch ankündigen. Es gibt verschiedene Katalogsysteme, über deren Vorzüge und Nachteile man sich im Einzelfall genau informieren sollte.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Ein Archiv, das an wissenschaftlicher Forschung von außen interessiert ist, sollte Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um an sein Zielpublikum heranzukommen. Die Bandbreite an Möglichkeiten, mit Außenstehenden in Kontakt zu treten, ist groß – sie reicht von der Ausschreibung von Forschungsprojekten, die sich an WissenschaftlerInnen richtet, bis hin zu Veranstaltungen, die für alle Interessierten offenstehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vermittlungsarbeit, die heutzutage immer mehr an Bedeutung gewinnt. Junge Menschen anzusprechen ist aus jetziger Sicht eine gute Investition in die Zukunft, denn die Bildung einer interessierten Öffentlichkeit stellt den Fortbestand der Institutionen sicher.7

 

Der Vorlass Cerha

Der Vorlass Friedrich Cerha umfasst:

  • die Skizzen und/oder Partituren aller Werke bis inklusive WV 159

  • die editorischen Arbeiten bis inklusive Ed A 12

  • Briefe von InterpretInnen, KünstlerInnen anderer Sparten, WissenschaftlerInnen, FreundInnen, BewunderInnen, KomponistInnen aus dem In- und Ausland, VeranstalterInnen sowie PolitikerInnen, Briefe von Friedrich Cerha an diese Personen

  • Korrespondenz zu Veranstaltungen, bestimmten Themen, mit Institutionen, zu Kulturkritik, zu Auftritten und Preisverleihungen, zum ORF RSO Wien, mit Verlagen

  • Tonbänder, Langspielplatten, Musikkassetten, DATs, CDs, VHS-Kassetten, DVDs mit AV-Aufnahmen von Werken, Aufführungen, Dirigaten, Vorträgen, Interviews, Portraits, Dokumentationen, Diskussionen, Tagungen, einige Beispielbänder zu Vorträgen sowie ein e-book mit Friedrich Cerhas Dissertation und eine CD-Rom mit Lehrmaterial

  • Fotos von Proben, Aufführungen, Preisverleihungen, Veranstaltungen, in Maria Langegg, mit Gertraud Cerha, mit InterpretInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, VeranstalterInnen, mit dem Ensemble „die reihe“ sowie Portraitfotos

  • Programmhefte und Rezeptionsdokumente

  • Schriften zur IGNM, zu "Neuer" und "Alter" Musik, zu Notations- und Interpretationsfragen sowie zur Musikerziehung, Vorworte, Kongressbeiträge, Schriften zur bzw. in Zusammenhang mit der Biographie, zu anderen KomponistInnen, zu Projekten und Veranstaltungen

  • Texte zu Werkgruppen

  • wissenschaftliche Arbeiten zu Friedrich Cerha, Gutachten von Friedrich Cerha

  • Einladungen zu Veranstaltungen und Mitgliedschaften, Laudationes, Verträge, Interviews

  • Karikaturen von Friedrich Cerha und Zeichnungen

  • Plakate verschiedener Aufführungen

 

Die Lagerung des Cerha-Vorlasses unterscheidet sich nicht von jener anderer Vor- und Nachlässe sowie Archivmaterialien, auch der Umgang mit den Dokumenten ist derselbe. Aus der obigen Aufzählung ist ersichtlich, dass es in ihrer Beschaffenheit höchst unterschiedliche Dokumente sind, die alle jeweils eigene Lagerungsbedingungen erfordern. Eine Besonderheit stellt die große Anzahl an AV-Medien dar, da es sich um das Leben eines Komponisten, Dirigenten und Musikers handelt. Bei der Digitalisierung entsteht eine große Datenmenge, die an einem möglichst sicheren Ort aufbewahrt werden muss und deren Speichermedium regelmäßig gewartet werden bzw. unter Aufsicht sachkundiger Personen stehen sollte.

Die originalen Ton- und Bildträger müssen sorgfältig verwahrt werden, vor allem ältere Medien wie Tonbänder sind sehr empfindlich. Spezielle Verpackungen schützen sie vor schädlichen Einflüssen von außen, verschiedene Klimazonen im Magazin schaffen optimale Bedingungen.

Abspielgeräte sind im Archiv der Zeitgenossen momentan nicht für alle Trägermedien vorhanden, allerdings ist dies angesichts der vollständigen Digitalisierung nicht notwendig, und in Sonderfällen kann auf spezielle Institutionen zurückgegriffen werden, die über die benötigte technische Infrastruktur verfügen.

 

Auch die Schriftstücke, Partituren, Fotos sowie andere gedruckte Unterlagen sind vollständig digitalisiert, was die Recherche und auch das Ausheben der Dokumente sowie die Arbeit damit vereinfacht: Sie werden ausgedruckt oder auf einem Datenträger ausgegeben, wodurch die Originale im Magazin verbleiben können und geschont werden.

 

Bei der Lagerung der Partituren ergibt sich teilweise das Problem des Sonderformates: Archivboxen und säurefreie Mappen werden standardmäßig in verschiedenen gebräuchlichen Größen (meist auf die Verwahrung von DIN-Formaten zugeschnitten) hergestellt, die für die Partituren nicht geeignet sind. Es müssen also Sonderanfertigungen in Auftrag gegeben werden, die mit einem höheren finanziellen Aufwand einhergehen.

 

Besonderheiten eines Vorlasses

Ein sehr positiver Aspekt des Vorlasses liegt in der Tatsache begründet, dass stets die betroffene Person in die Forschung eingebunden werden kann. Das Archiv steht in regem Kontakt mit dem Ehepaar Cerha (unter anderem sei Herrn Cerha an dieser Stelle für die Bereitschaft zur Überprüfung der Inhaltsangaben von Tonträgern auf deren Richtigkeit gedankt, Frau Cerha für viele Stunden, die sie mit mir beim Sichten der AV-Medien verbrachte). Es ist beispielsweise vorteilhaft, eine Schautafel zur Biographie des Komponisten vor ihrer Veröffentlichung zur Kontrolle noch einmal an jene Person zu schicken, die dieses Leben gelebt hat, und so am Ende eine möglichst umfassende und vor allem der subjektiven Wahrheit des Komponisten entsprechende Darstellung bieten zu können, wie dies nun im Rahmen der Ausstellung "Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk" der Fall ist. Aus Gesprächen und Korrespondenzen ergeben sich immer wieder wichtige Impulse für Forschungsprojekte, Veranstaltungen und andere Aktivitäten im Archiv.

 

Die Sichtung der Materialien sowie deren Einordnung wurde durch die Hilfe des Ehepaares Cerha wesentlich erleichtert: Im Vorlass befinden sich einige unbeschriftete AV-Medien – vor allem Konzertmitschnitte –, deren Inhalt ohne die Unterstützung der beiden nicht oder nur sehr schwer identifiziert werden hätte können. Hier war es sehr hilfreich, dass einerseits Gertraud Cerha die meisten Aufführungsdaten der Werke ihres Mannes im Kopf hat, und andererseits Friedrich Cerha sich dazu bereit erklärte, einige Aufnahmen anzuhören und dann mitzuteilen, um welches Konzert es sich handelte. So konnte aus vielen Stößen unbezeichneter AV-Medien eine geordnete Sammlung geschaffen werden, wo nun jede Aufnahme mit einer Signatur versehen und somit zuordenbar ist. Sobald diese Dokumente im online-Katalog verzeichnet sind, wird es auch für BenutzerInnen ein Leichtes sein, den Bestand zu durchsuchen und fündig zu werden. Momentan gibt es für Recherchen eine Excel-Liste, die allerdings nur im Archiv zugänglich ist. Die Signatur der AV-Medien wurde so gewählt, dass sie als zusätzliche Information auch die Werkverzeichnisnummer enthält; somit ist auf einen Blick erkennbar, welche Werke auf einem Ton-(bild-)träger gespeichert sind.

 

Bei der Archivierung der schriftlichen Materialien sowie der Bilddokumente gestaltet sich die Zuordnung nicht so schwierig – diese wurden bestens geordnet und in Themenbereichen zusammengefasst an das Archiv übergeben, außerdem sind die meisten Fotografien beschriftet und Schriftstücke allgemein sehr oft leicht identifizierbar.

 

Bei allen Vorteilen, die die Möglichkeit des Austausches mit dem Ehepaar Cerha bietet, ist es dennoch sehr wichtig, das Gebot der Objektivität nicht aus den Augen zu verlieren und sich stets eine eigene Meinung zu bilden – schließlich ist das das Ziel wissenschaftlicher Arbeit. Dies erfordert Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten, ist jedoch bei sachlich richtiger Argumentation leicht zu bewerkstelligen und stellt im konkreten Fall mit dem Ehepaar Cerha kein Problem dar – es besteht ein freundschaftliches Verhältnis, das der Zusammenarbeit sowie der Weiterentwicklung des Archives äußerst zuträglich ist.

 

Ein Vorlass bietet im Gegensatz zu einem Nachlass etwas andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der betreffenden Person: Da diese am Leben ist und am Weltgeschehen teilnimmt, können mühelos Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden und ist es auch möglich, Unterlagen zu aktuellen Themen im Archiv zu finden. Weiters bringt es eventuell gerade im Bereich der Vermittlungsarbeit an Kinder und Jugendliche entscheidende Vorteile, wenn diese über jemanden lernen, der ein Zeitgenosse ist, den sie sowohl live erleben als auch in den Medien wahrnehmen. Sie können damit ein anderes Verhältnis aufbauen als zu jemandem, der längere Zeit vor ihnen gelebt hat. Schließlich ist es gut, über die Option zu verfügen, mit diesem Menschen direkten Kontakt aufzunehmen. Auch wenn das nicht immer passiert, so haben die SchülerInnen doch das Gefühl, beispielsweise jederzeit nachfragen zu können, was sich der/die KünstlerIn bei diesem oder jenem gedacht hat. VermittlerInnen selbst können mitunter auch immer wieder auf die den Vorlass betreffende Person zugehen und sie bei Unklarheiten um Rat bitten. Das Archiv der Zeitgenossen wird somit seinem Namen gerecht und bietet seinen BesucherInnen tiefe Einblicke in das Leben und Wirken zweier bedeutender Künstler.

 

Auch die Öffentlichkeitsarbeit gestaltet sich anders als bei den meisten Nachlässen: Durch aktuelle Veranstaltungen und Berichterstattung über die jeweiligen Personen ergeben sich Werbe- und Kooperationsmöglichkeiten, die bei Nachlässen in dieser Zahl wohl eher selten zu finden sind.

 

Was das Archiv der Zeitgenossen besonders auszeichnet, ist die Beziehung der beiden Vorlässe, die es gegenwärtig beherbergt, zueinander: Das Libretto von Friedrich Cerhas Oper „Der Riese vom Steinfeld“ stammt von Peter Turrini. An diesem Werk Interessierte können also aus einer Fülle von Materialien schöpfen, wenn sie das Archiv der Zeitgenossen besuchen. Die Wertschätzung, die die beiden Künstler einander persönlich entgegenbringen, ist ein weiterer positiver Aspekt. Gemeinsame Fototermine und Veranstaltungen im Archiv münden oft in ein längeres freundschaftliches Gespräch.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Im Umgang mit Archivalien ist besondere Vorsicht geboten, sowohl von Seiten der MitarbeiterInnen wie auch der BenützerInnen. Verschiedene Maßnahmen führen dazu, dass die Dokumente in ihrem bestmöglichen Zustand erhalten bleiben, um gegenwärtig wie auch in weiterer Zukunft für die Bearbeitung zugänglich zu sein – Stichworte hierzu sind richtige Lagerung, passendes Klima, verträgliches Licht, pfleglicher Umgang, gewissenhafte Datensicherung, genaue Organisation/Planung, klare Anforderungen an das Personal, sinnvolle Katalogisierung/Signaturenvergabe, intelligente Öffentlichkeitsarbeit mit Vermittlungsprojekten vor allem für das jüngere Publikum.

Der Vorlass Cerha umfasst verschiedene Dokumente, wobei vor allem die AV-Medien aufgrund ihrer Quantität besonders hervorgehoben werden müssen – sie erfordern spezielle Maßnahmen bei der Archivierung: Deren Digitalisierung macht einen großen Speicherplatz notwendig, der wiederum erhöhten finanziellen Aufwand und auch personelle Ressourcen (Wartung, Datensicherung) bedeutet.

Die Charakteristika eines Vorlasses lassen sich allgemein folgendermaßen beschreiben:

  • Kontakt zur betroffenen Person ist (jederzeit) möglich

  • Bezüge zur Gegenwart können mühelos hergestellt werden (vor allem für die Vermittlungsarbeit interessant)

  • die Öffentlichkeitsarbeit gestaltet sich anders als bei Nachlässen – es gibt mehrere Gelegenheiten für Kooperationen und Werbeeinschaltungen als bei den meisten Nachlässen

  • kritisches Reflektieren ist notwendig – Angehörige des Archives wie jene Person, von der der Vorlass stammt, sollten einander mit Respekt begegnen und ihre jeweils eigenen Ziele verfolgen

 

Das Archiv der Zeitgenossen steht allen Interessierten offen und kann nach Voranmeldung besucht werden, die gegenwärtige Ausstellung zu Friedrich Cerhas musikdramatischem Werk ist noch bis Ende des Jahres 2011 ebenfalls gegen Voranmeldung zu sehen. Das Vermittlungsprogramm ist für SchülerInnen ab 14 Jahren konzipiert und wird für die jeweiligen Gruppen individuell geplant.

Alle weiteren Informationen entnehmen Sie bitte der Seite www.archivderzeitgenossen.at

 

 

Literaturverzeichnis

 

Monographien und Sammelbände

 

Arbeitsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Der Einsatz der Datenverarbeitung bei der Erschließung von Nachlässen und Autographen, Berlin, 1991.

 

Banik, Gerhard/Sebastian Dobrusskin: Aufbewahren von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut. Wien, 1990.

 

Bestandserhaltungsausschuss der ARK: Schimmelvorsorge und –bekämpfung in Archiven, in Der Archivar 60 (2007), Heft 4, Sp. 329-336.

 

Glauert, Mario/Sabine Ruhnau: Verwahren, Sichern, Erhalten – Handreichungen zur Bestandserhaltung in Archiven, Potsdam, 22006.

 

Glauert, Mario/Sabine Ruhnau: Bestandserhaltung beginnt im Kopf, nicht im Geldbeutel. In: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 1-12.

 

Glauert, Mario: Anforderungen an ein Archivmagazin. Eine Checkliste, in: Verwahren, Sichern, Erhalten, hg. von Glauert, Mario/Sabine Ruhnau, Potsdam, 22006, S. 29-54. 

 

Glauert, Mario: Klimamessung und Klimaregulierung im Archivmagazin, in: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 55-72.

 

Richter, Georg: Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsaufgaben und Unterrichtsdienste der Archive, in: Aus der Arbeit eines Archivars. Festschrift für Eberhard Gönner, hg. von Gregor Richter, Stuttgart 1986, S. 23-41.

 

Ruhnau, Sabine: Aufgaben- und Funktionsbereiche eines Archivs, in: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 13-28.

 

Online-Ressourcen

 

Archiv der Zeitgenossen: Startseite. www.archivderzeitgenossen.at [Zugriff: 12.9.2011]

 

Archivreferentenkonferenz: Verpackungen für Archivgut. http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/51981/

ARK_Empfehlungen%20zur%20Verpackungen%20f%FCr%20

Archivgut%202010.pdf [Zugriff: 14.9.2011]



  1. Informationen zum Archiv der Zeitgenossen: Vgl. www.archivderzeitgenossen.at [Zugriff: 12.9.2011]
  2. Vgl. Bestandserhaltungsausschuss der ARK: Verpackungen für Archivgut, 2010, S. 3. http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/51981/ARK_Empfehlungen%20zur%20
  3. Verpackungen%20f%FCr%20Archivgut%202010.pdf [Zugriff: 14.9.2011]
  4. Banik, Gerhard/Sebastian Dobrusskin: Aufbewahren von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut. Wien, 1990.
  5. Bestandserhaltungsausschuss der ARK: Schimmelvorsorge und –bekämpfung in Archiven, in Der Archivar 60 (2007), Heft 4, Sp. 329-336.
  6. Glauert, Mario: Anforderungen an ein Archivmagazin. Eine Checkliste, in: Verwahren, Sichern, Erhalten – Handreichungen zur Bestandserhaltung in Archiven, hg. von Glauert, Mario/Sabine Ruhnau, Potsdam, 22006, S. 29-54.
  7. Glauert, Mario: Klimamessung und Klimaregulierung im Archivmagazin, in: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 55-72.
  8. Vgl. Glauert, Mario/Sabine Ruhnau: Bestandserhaltung beginnt im Kopf, nicht im Geldbeutel. In: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 1-12.
  9. Vgl. Ruhnau, Sabine: Aufgaben- und Funktionsbereiche eines Archivs, in: Verwahren, Sichern, Erhalten, 22006, S. 13-28.
  10. Vgl. Arbeitsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Der Einsatz der Datenverarbeitung bei der Erschließung von Nachlässen und Autographen, Berlin, 1991.
  11. Vgl. Richter, Georg: Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsaufgaben und Unterrichtsdienste der Archive, in: Aus der Arbeit eines Archivars. Festschrift für Eberhard Gönner, hg. von Gregor Richter, Stuttgart 1986, S. 23-41.