Vermittlung Magazin

Metal

Zwischen Kitsch und Avantgarde

ESSAY
Ursula Weiermann

geb. 1983. Studiem der Musikwissenschaft, Pädagogik sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Diplomarbeit: "Heavy Metal. Entstehung und Entwicklung".

http://www.musistubn.at

Der Begriff "Metal" entstand aus einer langjährigen Entwicklung der Rockmusik an sich. Viele Autoren, welche sich mit dem Thema Heavy Metal und Metal auseinander gesetzt haben, sind der gleichen Ansicht, die Entstehungszeit des Heavy Metal auf die späten 1960er und frühen 1970er Jahr zu terminieren. Ich möchte hier auch gleich auf die richtige Deklarierung der Begriffen Heavy Metal und Metal eingehen. Der Begriff Heavy Metal steht anfangs für die Musikrichtung an sich. Wie schon erläutert, entstand der Begriff in den späten 60er Jahren, wo zum Beispiel der Autor Robert Walser in seinem Buch "Running with the Devil"1 folgendes veröffentlichte: "Heavy Metal began to attain stylistic identify in the late 1960s as a ´harder´ sort of hard rock, and a relatively small but fiercely loyal subculture formed around it during the 1970s."2 So waren die 60er, doch vor allem die 70er Jahre, geprägt von vielen neuen Einflüssen in der Heavy Metal Szene. Musiker wie Led Zeppelin, Deep Purple und v.a. Black Sabbath – die Band rund um den charismatischen Sänger Ozzy Osboure – waren kennzeichnend für eine neue Ära der Rockmusik. Laut Deena Weinstein, einer weiteren wichtigen Theoretikerin der Metal Szene, haben sich durch die oben genannten Bands "[…] sonic, visual and verbald codes of heavy metal. […]"3

geformt.

Doch die wohl bekannteste Verkörperung dieser neuer Musikära stellt wohl Jimi Hendrix dar. Hendrix wird in allen Publikationen rund um Rockmusik, Heavy Metal und Metal als der Einflussreichste überhaupt genannt. Seine Art die Gitarre zu spielen war einzigartig und sollte den Grundstein für die nächsten Generationen der Rock- und Metalgitarristen der Zukunft legen. Der nächste wegweisende Schritt des Heavy Metal fand in späten 70er Jahren statt. In England formierte sich eine Bewegung namens "New Wave of British Heavy Metal" – NWoBHM.4 Diese Art des Heavy Metal stellte sich gegen den eher anspruchsvollen Heavy Metal á la Jimi Hendrix und damit gegen die beginnende Kommerzialisierung des Heavy Metal. Durch die Phase des NWoBHM wurde der Musikstil Heavy Metal prägnant gestärkt. Dadurch entwickelten sich in den 80er und 90er Jahren viele neue Stile innerhalb des Heavy Metal. Diese unterschieden sich in verschiedenen Intentionen der Musiker als auch in den jeweiligen Spielarten. Neue Stile wie Speed Metal, Trash Metal, Death Metal und Black Metal (um nur einige davon zu erwähnen) prägten nun das Musikland.

 

So steht der Begriff "Heavy Metal" an sich für eine spezielle Spielart. Heute wird sie vor allem für den "alten" Metal bezeichnet. Das heißt Bands wie Black Sabbath oder Def Leppard werden als Heavy Metal Bands bezeichnet. Ein weiterer gebräuchlicher Ausdruck dafür wäre z. Bsp. Power Metal. Den Musikstil Metal mit Kitsch in Verbindung zu setzen, scheint mir durch gewisse

Stilrichtungen und Merkmale der Musik in den 80er und 90er Jahren durchaus berechtigt. So werden Bands aus dem Lager des "Glam Metal"5 durchwegs durch ihre Wahl der Kleidung als auch ihrer Art Musik zu machen komplett konträr zur eigentlichen stilistischen Art und Weise des Metal behandelt. Bands wie Poison oder Mörtley Crüe wechseln die doch eher für

Metal gebräuchliche dunkle ja düstere Kleidung in Glitzerhosen und "Fönfrisuren". Hier lässt sich wohl eine Verbindung von Metal und Kitsch nicht abstreiten. Manchen mögen auch behaupten Bands und Musiker aus der Gothic- und Industival Metal Szene wie Marilyn Manson oder Within Temptation wäre gleichermaßen dem Kitsch verfallen. Doch hierzu

muss folgendes beachtet werden: Im Metal an sich geht und ging es schon immer um eine gewisse Abgrenzung und einen Ausbruch aus gesellschaftlichen Normen und Zwängen. Dadurch musste sich neben dem Hören der Metal Musik alleine, auch das gesamte äußerliche Erscheinungsbild und Benehmen in der Gesellschaft abgrenzen. Alleine die Musik zu hören

war und ist vielen Fans zu wenig. Damit lässt sich wohl auch der Begriff Metal und Avantgarde trefflich verbinden.

"Als musikalische Avantgarden gelten Stilrichtungen der E-Musik seit Beginn des 20. Jahrhunderts, die oft unter dem Schlagwort Neue Musik zusammengefasst werden. Gemeinsam ist ihnen der Bruch mit traditionellen Hörgewohnheiten, etwa durch die breite Verwendung von Dissonanzen und unregelmäßigen Rhythmen sowie durch Atonalität."6

So lässt sich wohl auch der Metal, als Beispiel im Sektor der Unterhaltungsmusik, auch als avantgardistische Musikrichtung bezeichnen. Die politisch-gesellschaftskritische Einstellung der Jugendlichen im späten 20. Jahrhundert drückt sich vor allem durch Rebellion eben gegenüber dieser Gesellschaft aus. Jeffrey J. Arnett drückt diese Rebellion und Lebenseinstellung der Jugendlichen – diese können sich am meisten mit der Lebensphilosophie des Metal identifizieren – mit dem Begriff "sensation seeking" aus: For them, a heavy metal concert is the sensory equivalent of war – without the bullet – and they find it exhilarating.7 Genau diese Suche nach dem Außergewöhnlichem, ja dem Nicht-gesellschaftsfähigem, macht

den Metal-Fan so einzigartig – und für mancherlei Außenstehende auch in gewisser Sicht „asozial“. Doch welchen Fortschritt hätte es in der Vergangenheit gegeben, hätte es nicht immer wieder diese "Außenseiter" hervorgebracht?!

 

Von der Gesellschaft in eine Ecke gedrängt, als "asozial", derb oder gar satanisch bezeichnet, steht jedoch genau diese Gruppe für die Avantgarde in der Rockmusik. Die Suche nach dem neuen, ultimativen Sound kreiert bis heute Musikrichtungen innerhalb der Metal Szene, welche sich untereinander so sehr unterscheiden, dass man sie alle einzeln theoretisch betrachten könnte. War den Fans anfangs die Musikalität – also die technische Beherrschung des Instruments oder der Stimme – nicht so sehr wichtig, so hat sich dies im Wandel der Zeit stark geändert. "Schlechte" Bands überleben nicht lange. Dazu trug und trägt natürlich die Verfügbarkeit und weite Verbreitung von Musik dazu bei. Jeder hat die Möglichkeit, sich via Internet oder Fanzines8 über alle möglichen neuen Bands und Stile zu informieren – und sich ihre eigene Meinung darüber zu bilden.9 Um auf das Thema Metal – Zwischen Kitsch und Avantgarde zurückzukommen. Manche (bösen Zungen) mögen behaupten, Metal Bands wie Mötley Crüe, Kiss oder Marilyn Manson

produzieren Kitsch – sowohl visuell als auch akustisch. Doch genau dieser Ausbruch aus gesellschaftlichen Normen, die "Erschaffung" einer eigenen Phantasiewelt, steht für eine ganze Generation Jugendlicher (und Junggebliebener) welche sich gegen die vorherrschende Allgemeinheit stellten.

In diesem Sinne: "Let There Be Rock"10

 

 

Ursula Weiermann: Metal. Zwischen Kitsch und Avantgarde (19.2.2013). terz.cc (ISSN 2225-8795), 1/2013 Metal zwischen Kitsch und Avantgarde, http://terz.cc/magazin.php?z=294&id=300.

 

 


 

 

  1. Walser, Robert: Runnin with the Devil. Power, Gender and Madness in Heavy Metal Music. Hannover/London: Wesleyan University Press, 1993.
  2. Walser (1993), S. 3.
  3. Weinstein, Deena: Heavy Metal. The Music and Its Culture. Revised Edition. New Your: Da Capo Press, 2000, S. 15.
  4. Mader, Matthias & Kerschke, Manfred & Jeske, Otger: NWoBHM. The glory days. Berlin: IP – Verlag Jeske/Mader, 1995.
  5. Weinstein (2000), S. 45-48.
  6. Artikel auf www.wikipedia.org, 25.11.20121
  7. Arnett, Jeffrey J.: Metalheads. Heavy Metal Music and Adolescent Alienation. Boulder/Col.: Westview Press, 1996, S. 66.
  8. Weinstein (2000), S. 174-180.
  9. Ich möchte hier auch auf meine Diplomarbeit: Heavy Metal – Entstehung und Entwicklung aufmerksam machen. Hierin beschrieb ich ausführlich die Vermarktungsgeschichte des Heavy Metal.
  10. Zitat aus dem Song „Let There Be Rock“ der australischen Band AC/DC