Vermittlung Magazin

deepseafishK  

oder: 3 Pianistinnen ohne Klavier 

STATEMENT
Katharina Klement

Studien Klavier und Komposition, sowie Lehrgang für elektroakustische und experimentelle Musik an der Hochschule für Musik und darst. Kunst in Wien. Gastkurs "music technology" an der University of York, U.K. Private Studien in Plastik/Skulptur und Tanzimprovisation. Lehrauftrag am Lehrgang  "Computermusik und Elektronische Medien" an der Universität für Musik und Darst. Kunst Wien.

www.katharinaklement.com

Seit vielen Jahren kreuzen sich die Wege von Juun und mir, meist treffen wir uns über Kompositionsaufträge für dieselben Ensembles oder Solisten/Solistinnen.

Ich habe viele ihrer Stücke bei Uraufführungen zu hören bekommen, sie haben mich stets aufhorchen lassen. Mit der Zeit konnte ich eine akustische Handschrift ablesen, die niemals vorauszusehen war, sondern sich durch eine ungebrochene Authentizität kennzeichnet. Jeder Klang ist explizit so gemeint, wie er geschrieben steht, es finden sich immer wieder eine Reihe erweiterter Spieltechniken in ihren Stücken, die die Komponistin als Improvisatorin erforscht – sie sind durchgehört, durchgespielt, ausprobiert und ausgewählt – fern einer manieristischen Virtuosität.

Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch in Innsbruck nach einem Konzert, bei dem Juun gerade von einer Bergtour zurückgekommen war und mir u.a. von ihrem Philosophiestudium erzählte. Ihre Auseinandersetzung mit Philosophie erklärte mir ihre Abkehr von einer instrumentaltechnischen Verliebtheit noch mehr.

 

Vor drei Jahren erhielt ich die Anfrage, gemeinsam mit ihr und Manon Liu Winter im Trio beim Festival "interpenetration" in der Grazer Postgarage zu spielen. Der Festival- und Label-Betreiber  (chmafu nocords) Maru hatte Juun mit einem Ensemble ihrer Wahl eingeladen. Wir sagten gerne zu, obwohl uns Pianistinnen klar war, dass kein Klavier zur Verfügung stehen wird. Juun spielte auf ihren ausgebauten Innereien eines Klaviers (irks oder pianoguts, wie sie diese Teile respektvoll nennt), Manon Liu Winter und ich spielten auf unseren Klavichorden. Die Geburtsstunde von deepseafishK hatte geschlagen, der Name und "das Programm" der Band kamen erst um einiges später.

Zur Grundidee gehört, kein Klavier zu nutzen, außer es bietet sich eines an. Alles, was horizontal besaitet ist, wie beispielsweise Hackbrett oder Zither werden ins Instrumentarium ebenso integriert wie ein vertikal besaitetes Pianino, das aber vorher gründlich der hölzernen Verkleidung beraubt wird, um ins Innere zu gelangen.

"Innenraum Klavier" bekommt in diesem Kontext nochmals eine neue Bedeutung: verwandte Klangräume des Klaviers werden aus drei heterogenen klanglichen Handschriften zu einem Hyperinstrument zusammengeschmolzen. Es agieren drei gleich gewichtete Musikerinnen, die mit ihren individuellen Spielcharakteren, Instrumenten und Präparierungen zusammenwirken. Ein eigensinniger "three wheel drive", der einlädt, den Tiefseegrund von "keys", oder "Klavieren" zu erforschen, ihren gewohnten Rahmen zu demontieren. Mit einem Bein in der freien Improvisation, mit dem andern in der Komposition, werden für jedes Konzert gemeinsam Konzepte entworfen. Auf die kann man sich verlassen, auch darauf, dass von ihnen abgewichen wird. Das Vertrauen und Einverständnis bleiben gewahrt, singuläre Aktionen stehen immer im Zusammenhang der gesamten Form. Juuns radikale Offenlegung des Instruments Klavier als auch die Offenlegung von Klängen überhaupt drücken diesem Trio seinen prägenden Stempel auf, und setzen gleichzeitig ein ursprüngliches Eintauchen in klangliches Geschehen frei. 

 

 

Katharina Klement: deepseafishK, oder: 3 Pianistinnen ohne Klavier  (19.2.2013). terz.cc (ISSN 2225-8795), 1/2013 Im Portrait: JUUN, http://terz.cc/magazin.php?z=294&id=303. 

 

 

deepseafishK war 2012 u.a. im Konzerthaus Wien und beim Festival NEXT in Bratislava zu hören.