Vermittlung Magazin

Zwischen Brecht, Karajan und kultureller Identitätsfindung

Gottfried von Einem und die Salzburger Festspiele nach 1945

ESSAY
Thomas Eickhoff

studierte Musikwissenschaft, Musikpädagogik, Germanistik und Erziehungswissenschaft sowie Klavier, Gesang, Chor- und Orchesterleitung. Promotion über politische Dimensionen in der Biographie von Einems. Neben einer umfassenden Tätigkeit als Autor ist er Im Kulturmanagement als Initiator und Organisator verschiedener Buch- und Medienprojekte aktiv.

Im Jahr 1945, das – wie in anderen Bereichen – auch im Musikleben weder die sogenannte "Stunde Null" markierte1, noch den traditionslosen Neuanfang bedeutete, waren Deutschland und das 1938 von Hitler annektierte Österreich in einer vergleichbaren Situation:

Die nach dem Zerfall der Nazi-Diktatur vielerorts einsetzenden Bemühungen um den kulturellen Wiederaufbau waren durch die kulturpolitischen Vorgaben der vier Besatzungsmächte, welche auf "die Liquidierung der bestehenden faschistischen Organisationen sowie den Neuaufbau einer demokratischen Ordnung, die sowohl Freiheit als auch Gerechtigkeit garantiere"2 abzielten, gleichsam eine teils entlarvende Rückschau auf die politischen Verhaltensweisen der während der Jahre 1933 - 1945 tätigen Kulturrepräsentanten.

Hinsichtlich der in dieser Phase von den Amerikanern in Österreich projektierten sogenannten "Re-Edukation" folgerte der mit Studien zur Kulturpolitik der Besatzungsmächte befasste Historiker Oliver Rathkolb, dass die Autoren der Direktiven für den Kulturbereich von der Annahme ausgegangen seien, dass "der Nationalsozialismus die deutsche und österreichische Gesellschaft (letztere wurde meist als integraler Bestandteil der 'Preußischen' Kultur betrachtet) zur Gänze wie eine Krankheit befallen und zu politischen Propagandazwecken pervertiert hätte. Dieser sozialpsychologisch motivierte Ansatz sollte in weiterer Folge gesellschaftsverändernd wirken, wobei primär die drei großen D, 'Denazification, Demilitarisation und Dekartellisation', die Gesellschaft des 'Dritten Reiches' sozusagen ihrer traditionellen militaristisch-expansiven Eliten berauben sollte. Eine der Begleitmaßnahmen war die Reorientierung des Kulturbereichs, die als 'Medizin' gegen die 'Krankheit' Faschismus eingesetzt wurde."3

Die NS-Vergangenheit von Künstlern im Prozess einer kulturellen Identitätsfindung zu instrumentalisieren, um Eigeninteressen durchzusetzen, ist nach 1945 vor dem Hintergrund der sich im Musikleben Österreichs abzeichnenden restaurativen wie innovativen Bestrebungen unter gleichzeitigem Heraufbeschwören eines "Opfermythos"4 ein deutlich zu erkennendes Signum, welches sich im Rahmen der Salzburger Festspielgeschichte hinsichtlich der Karrieren einzelner Künstler, wie z. B. die des Dirigenten und späteren Festspieldoyens Herbert von Karajan, verifizieren lässt. Den Aufstieg Karajans dabei im Zusammenhang mit der Festspieldramaturgie des österreichischen Komponisten und langjährigen Direktoriumsmitglieds Gottfried von Einem (1918 – 1996) als Fallbeispiel nachzuzeichnen, ist insofern aufschlussreich, als im Zuge der nach 1945 in Salzburg parallel beginnenden Tätigkeiten beider Künstler deren Verhältnis zueinander und miteinander geführte Auseinandersetzungen die kontrastierenden Festspielkonzeptionen beider Musikfunktionäre widerspiegelt. So lässt sich anhand dieser Beziehung sowie der seinerzeit zusätzlich geplanten festspielpolitischen Einbindung des Dramatikers Bertolt Brecht5 pars pro toto ein charakteristisches Segment der österreichischen Entnazifierungs- und Musikpolitik verdeutlichen.

Zunächst könnte man fragen: Brecht in Salzburg – warum? Gibt es gar irgendwelche Hinweise oder konkrete Spuren? In der Brecht-Ausgabe findet man lediglich ein sieben Seiten umfassendes Stückfragment mit dem Titel "Salzburger Totentanz", das als literarisches Relikt einer nach 1945 avisierten Theaterarbeit Bertolt Brechts bei den dortigen Festspielen, initiiert durch Gottfried von Einem, gelten kann. Obschon dieser Text ebenso wie das mit ihm verbundene Festspielprojekt nur in Ansätzen steckengeblieben war, gibt er dennoch Aufschluss darüber, inwieweit Brecht den "Totentanz" inhaltlich als Gegenentwurf zu Hugo von Hofmannsthals alljährlich aufgeführtem "Jedermann" konzipiert hatte, nämlich als kritischen Aufbruch der vermeintlichen Gleichheit von "Arm" und "Reich" im Tod.6 Angesichts dieser latenten Kapitalismuskritik mochte im nachhinein - so formuliert es der Literaturwissenschaftler John Milfull - "die Vorstellung eines Salzburger Festspielprogramms mit Sozialismus und Sachertorte, mit Maßnahme und Mozartkugeln, Galilei und Götterdämmerung, kurz: Keuner und Karajan, unendlich reizvoll" erscheinen7, repräsentierten die letztgenannten Namen doch zwei divergierende Hemisphären bzw. Denk-"Figuren", wie sie nach 1945 im Salzburger Festspielbetrieb virulent werden sollten: Auf der einen Seite der essentielle, auf kleine Formen beschränkte Aphorismus eines "Herrn Keuner", will sagen: Brecht, auf der anderen Seite die massenpublizitäre Gigantomanie des späteren Festspielpräzeptors Herbert von Karajan, den Adorno mit ironischem Unterton zum "Genius des Wirtschaftswunders" adelte.8

Von politischen Hintergründen, Interessenskonflikten und folgenreichen Problemen, denen sich die Festspielfunktionäre durch die konzeptionelle Bündelung scheinbar unvereinbarer politischer wie ästhetischer Positionen ausgesetzt sahen, soll im Folgenden die Rede sein. Namentlich als Salzburger Brecht-Befürworter und - gemessen an Weill, Eisler oder Dessau - "peripherer" Brecht-Komponist zwischen Eloge und Verriss, kommt Gottfried von Einem die Funktion eines in diesem Zusammenhang vielzitierten Zeitzeugen und Kulturorganisators bzw. musikpolitischen Mediators zu. Denn von Einems Aktionsradius war wohl zu facettenreich, als dass sein Schaffen ausschließlich auf das kompositorische Oeuvre zu reduzieren wäre. Sowohl durch seine vermeintlich provokanten, letztlich aber eher traditionalistisch angelegten Literatur-Opern - Dantons Tod (nach Büchner, 1947), Der Prozeß (nach Kafka, 1953), Der Besuch der alten Dame (nach Dürrenmatt, 1971) -, als auch durch seine nicht selten harsch-polemischen Stellungnahmen zu Politik und Zeitgeschichte, gerierte der zumeist protegierte von Einem zeitlebens zum (mitunter dandyhaften) enfant terrible, das als Direktoriums-Mitglied der Salzburger Festspiele oft unfreiwillig in das Kreuzfeuer der Kritik geriet.9

 

Maßgebliche Kontakte: Puthon, Hoffmann und Hilbert

 

Schien für von Einem eine aktive Beteiligung bei den Festspielen im Zuge seines zwischen Anpassung und Widerstand changierenden Auftiegs zur Zeit des Nationalsozialismus noch weit entfernt, so hatte er jedoch in Salzburg 1945 zumindest Kontakte zu Personen in kulturpolitisch einflussreichen Stellungen.

Neben Baron Heinrich Puthon (1862 – 1961), der seit dem 5. Mai 1926 und nach einer Amtsenthebung im Jahr 193810 wieder ab 1945 als Präsident der Salzburger Festspiele fungierte, hatte von Einem in M. Gale Hoffmann und Egon Hilbert zwei für die kulturpolitischen Belange maßgebliche Schlüsselfiguren an seiner Seite: Hoffmann war als Chef des CIC (Counter Intelligence Corps, eine dem Geheimdienst nebengeordnete amerikanische Militärorganisation für "Feindabwehr")11, eine wichtige Kontaktperson wegen seiner Mitverantwortlichkeit bei der Überprüfung von politisch belasteten Künstlern im Rahmen der amerikanischen Entnazifizierungsverfahren, die an Gottfried von Einem ohne tiefgreifendes Hinterfragen seines Aufstieges als etwaiger Günstling des Regimes spurlos vorübergingen: Allein die Tatsache, dass von Einem 1938 in Berlin von der Gestapo inhaftiert worden war und Kontakte zur Widerstandsbewegung unterhalten hatte, schien als Indiz einer "nazifeindlichen Haltung" auszureichen und damit für seine Rehabilitierung zu genügen, was wiederum "sein Ansehen nach dem Krieg bei den Besatzungsmächten sicherstellte."12

Wie Rathkolb feststellen konnte, war angesichts des von den Besatzern formal lancierten Anti-Nationalsozialismus als eine "in der Praxis eher laue Form des Anti-Faschismus"13, die Entnazifizierungspolitik insgesamt weder homogen noch wurde sie konsequent durchgeführt. Gallup zufolge, sei das Entnazifizierungsprogramm "voll von Fehlstarts, Widersprüchen, Fehlinformationen und Ausnahmen" gewesen14, obwohl eigentlich restriktivere Maßnahmen hätten durchgeführt werden müssen angesichts der zu beobachtenden affirmativen Haltung gegenüber nationalsozialistischen Anschauungen: denn Salzburg war "von allen großen Städten des Landes am wenigsten geneigt, ehemalige Nazis zu bestrafen"15, wie aus empirischen Erhebungen einer 1948 erschienenen Studie hervorgeht, in der konstatiert wurde:

"Im allgemeinen dachte die Hälfte der Österreicher (hier waren die Zahlen in Salzburg ähnlich jenen in Wien und Linz), daß der Nationalsozialismus eine gute Idee sei, die aber in der Praxis schlecht verwirklicht worden wäre."16

Insgesamt zeichnete sich nach 1945 in der amerikanischen Besatzungspolitik eine deutliche Tendenz zur sogenannten "Austrifizierung" ab im Sinne einer "Anpassung an die traditionellen österreichischen gesellschaftlichen Strukturen, Macht- und Interessensverhältnisse"17, laut Rathkolb in erster Linie verursacht durch einen "Mangel von Konfliktbereitschaft seitens der militärischen US-Behörden, die primär eine gut funktionierende Verwaltung demokratischen Auseinandersetzungen - auch innerhalb des eigenen Apparates - vorzogen."18

Symptomatisch mögen sich diese Vorgänge in dem Aktionsradius des bereits erwähnten Festspielfunktionärs Egon Hilbert widerspiegeln, der als Chef der österreichischen Bundestheaterverwaltung, späterer Wiener Staatsoperndirektor und Mitinitiator der Wiener Festwochen für Gottfried von Einem eine bis in die 60er Jahre hinein kulturpolitisch maßgebliche Bezugsperson darstellen sollte und für die Annahme seines Opernerstlings Dantons Tod zur Uraufführung bei den Festspielen verantwortlich war.

Während der NS-Zeit hatte Hilbert, nachdem er seine Tätigkeit als Presseattaché in der österreichischen Gesandtschaft in Prag beendet hatte und 1938 in das besetzte Österreich zurückgekehrt war, fünf Jahre im Konzentrationslager Dachau zugebracht. Entsprechend den berüchtigten "Nürnberger Gesetzen" von den Nazis als sogenannter "Halbjude" rassistisch verfolgt, stufte ihn die Gestapo als "hartnäckigen Gegner des Nationalsozialismus ein, der die ausländische Presse in antideutschem Sinne und für die Unabhängigkeit Österreichs beeinflußt habe (Bundesministerium für Inneres, Wien, Gauakt Hilbert)"19, woraufhin Hilbert verhaftet und nach Dachau verschleppt wurde. Unter den dort Inhaftierten übernahm er allerdings eine "Führungsrolle" und genoss auch "gewisse Privilegien"20, eine Tatsache, die bei den amerikanischen Besatzern nach 1945 offenbar Argwohn hervorrief: Der als Organisator der Entnazifizierungsverfahren eingesetzte Otto von Pasetti "mißtraute ihm, hielt ihn für unzuverlässig und meinte, daß es in seiner Dachauer Vergangenheit dunkle Punkte geben müsse, weil er dort sogar 'den Schlüssel zur Waffenkammer gehabt habe'."21

Da bereits seit Herbst 1945 die Entnazifizierungsmaßnahmen von den Österreichern durchgeführt wurden und die Alliierten sich lediglich ein Vetorecht vorbehielten22, war es naheliegend, dass Hilbert, dem als Chef der Bundestheaterverwaltung immerhin "der größte Einfluß auf alle staatlich unterstützten kulturellen Maßnahmen" zukam23, mit seiner eher ignoranten Einstellung gegenüber der Entnazifizierung von Künstlern die Besatzungsmächte beunruhigte, wie Quellendokumente belegen.24

Fungierte Hilbert primär als Organisator der Festspiele, so avancierte an seiner Seite von Einem bald zum künstlerischen Berater des Festspieldirektoriums, wobei der junge Komponist hinsichtlich der Entnazifizierung von Künstlern eine recht nachgiebige Haltung einnahm, die allerdings nicht – wie bei Hilbert - in Richtung eines kulturpolitischen Antikommunismus tendierte25, sondern eher den Eindruck erweckt, als habe er die Gelegenheit genutzt, um seinen einstigen Förderern als Dank einen freundschaftlichen Gegendienst zu erweisen:

So setzte von Einem sich ebenso für die Rehabilitierung seiner ehemaligen Berliner Protektoren Heinz Tietjen und Wilhelm Furtwängler ein wie für seinen Dresdner Vorgesetzten und Gönner Karl Elmendorff. Auch der Dirigent Karl Böhm, der während der NS-Zeit, wie Rathkolb nachgewiesen hat, "wohl am aktivsten als Nicht-NSDAP-Mitglied für 'die Bewegung' Propaganda getrieben hatte"26, gehörte zu jenen Künstlern, für die von Einem - so formuliert es Saathen - "mit Temperament und Schneid in die Schranken getreten" sei.27 Somit entsprach Einems Attitüde in charakteristischer Weise jenem weit verbreiteten Verhaltensmuster, wie es Gallup - auch angesichts der damit einhergehenden Konsequenzen - kurzum beschrieben hat:

"Die Verfahren zogen sich bei den Gerichten dahin, die Leute deckten ihre Freunde, und viele ehemalige Nazis fanden langsam wieder Zugang in die Behörden der Stadt und des Landes."28

 

Aufnahme in das Festspieldirektorium und die Uraufführung der Oper „Dantons Tod“

 

Wie angesichts des weitreichenden Aktionsradius' erkennbar ist, hatte der 28-jährige von Einem es seit Februar 1946 innerhalb weniger Monate geschafft, sich in zunehmenden Maße als künstlerischer Berater des Festspielkommitees zu exponieren, was besonders die Tatsache verdeutlicht, dass er bereits im Herbst 1946 in das Festspieldirektorium aufgenommen wurde und sich nun "sein Einfluß auf die Programmplanung für die Zukunft auszuwirken" begann.29

Wie Gallup anhand zeitgenössischer Quellen feststellen konnte, wollte der Komponist seinerzeit "die Anzahl der modernen Orchester- und Kammermusikwerke steigern" und war zudem entschlossen, "geeignete zeitgenössische Opern zu finden und diese in Salzburg aufführen zu lassen."30 Mit diesem Vorhaben, das auch von Ernst Lothar - dem damaligen amerikanischen Offizier für das Theater- und Musikgeschehen in Salzburg - unterstützt wurde31, hatte sich von Einem in programmatischer Hinsicht - quasi rückwirkend - den Weg selbst geebnet für die bereits avisierte Uraufführung seiner eigenen Oper Dantons Tod, welcher als zeitgenössisches Werk eine Art Vorbildfunktion zugewiesen wurde.

Vergegenwärtigt man sich die damalige Rezeption der Oper im Spiegel der internationalen Presse, ist als Grundtenor  der Rezensionen zu erkennen, dass das Werk in grosso modo als zeitgeschichtlich aktuell und musikalisch neuartig sowie die Aufführung als interpretatorisch hochrangig eingestuft wurde, wobei selbst zurückhaltende Berichterstatter zusammenfassend von einem "einheitlichen und offenkundigen Erfolg" sprachen.32 Die vermeintliche Modernität der Oper jenes Komponisten, der "hier im Salzburger Land", wie Eberhard Preußner seinerzeit meinte, "die etwas seltsame Erscheinung eines Avantgardisten" bilde33, stieß jedoch aufgrund des nach 1945 in Österreich evidenten Kulturkonservativismus auch auf Ablehnung, wie eine von Ernst Sompek verfasste Kritik exemplarisch dokumentiert.34 Deutlich sind in diesem, von "Attribute[n], Phrasen und Kampfparolen wie häßlich, kulturlos, vertiert, krankhaft, dekadent, Gift, Verfall und Untergang des Abendlandes"35 durchsetzten Verriss der 'Danton'-Oper, jene Sprach- und Denkfiguren des Nationalsozialismus zu erkennen, die sich "um den zentralen Bannfluch 'entartet'"36 gruppierten und - wie Kerschbaumer aufgezeigt hat - gleichsam Aufschluss geben über die "geistige Prägung des Verfassers" Sompek als NS-Propagandisten.37

Die von Kerschbaumer erwähnte "künstlerische Reflektion", bezogen auf Totalitarismus und Gewalt, war zwar nach dem Ende der Nazi-Diktatur ein zeitgeschichtlich aktuelles Thema und wurde als ein Signum von Einems 'Danton'-Oper rezipiert und emphatisch hervorgehoben, kann aber im Hinblick auf das kulturpolitisch eher konservativ gestimmte Klima Salzburgs den Verdacht nahelegen, dass das Werk einer in Salzburg verbreiteten Einstellung entgegenkam, wenn man die Oper - wie Klemens Kaatz - als "bürgerlich-elitäre Abrechnung mit dem Nazismus" versteht.38

 

Festspielpolitische Polarisierungen: Karajans Aufstieg nach 1945

 

Wie schon bei anderen, seine Förderer betreffenden Entnazifizierungsverfahren, zeigte sich von Einem auch bei Herbert von Karajan, der noch im April 1944 in Berlin von Einems Concerto op. 4 uraufgeführt hatte, nachgiebig und stellte unweigerlich einen "Persilschein" aus39, irrte sich jedoch in der Annahme, dass der ehrgeizige Dirigent als NSDAP-Mitglied nie versucht habe "durch diese Parteimitgliedschaft irgendwas zu erreichen." Zwar stellte für die Forschung Karajans Verschleierung seines doppelten Parteieintritts lange Zeit einen Untersuchungsgegenstand dar40, doch dürfte als seinerseits nie bestrittene Tatsache angesehen werden, dass seine spätere NSDAP-Mitgliedschaft als taktisches Manöver eines karrierebesessenen Künstlers gelten kann, welches ihm den Aufstieg in gehobene Positionen wie die des Aachener Generalmusikdirektors ermöglichte. Somit wäre von Einems Behauptung widerlegt.

Dass Karajan um jeden Preis bemüht war, seine Ziele zu erreichen, ist selbst in den nach 1945 formulierten Rechtfertigungsstrategien deutlich zu erkennen: In Gesprächen mit seinen Biografen versuchte Karajan nicht nur "dem Nationalsozialismus auch gute Seiten abzugewinnen, ohne den tatsächlichen ideologischen Perversionen und ihren katastrophalen Folgen auf den Grund zu gehen"41, sondern er bagatellisierte auch den NSDAP-Beitritt als unreflektierten Formalakt, wie aus einem 1981 geführten Gespräch mit Robert C. Bachmann hervorgeht.42

Im Rahmen der Entnazifizierungskampagne, die Karajan übrigens lächerlich machte43, waren sich die zuständigen Offiziere der Besatzungsmächte nicht einig, was ein Auftrittsverbot des Dirigenten anbetraf. Nachdem Karajan mit Hilfe des amerikanischen Beauftragten Pasetti die Auftrittsgenehmigung vorerst erhalten hatte, konnte er am 12. Januar 1946 in Wien ein Konzert mit Werken von Haydn, (Londoner Sinfonie), Strauss (Don Juan) und Brahms (Erste Sinfonie) dirigieren, das wenige Stunden vor Beginn beinahe hätte abgesagt werden müssen, da die sowjetischen Besatzer intervenierten, jedoch zum Einlenken bewegt werden konnten.44

Der Auftritt Karajans löste begeisterte Reaktionen aus: Hatte der Berliner Musikkritiker Edwin von der Nüll den Dirigenten 1938 zum "Wunder Karajan" hochgejubelt45, so wurde dieser "Wundermythos" nach dem erfolgreichen, ersten Nachkriegskonzert Karajans von der euphorisch gestimmten Presse wiederbelebt und zur "Märtyrerlegende" umgemünzt, in dem "das auferstandene Wunder als politisches Opfer der Besatzungsmächte" akklamiert wurde.46

Unter kulturpolitischen Aspekten betrachtet, zeichnete sich schon hier die später in Österreich weiter verfolgte Tendenz ab, Karajan als Gallionsfigur einer angeblich "abendländischen Musikkultur" zu stilisieren, in deren Mittelpunkt - als Gegenpol zu zeitgenössischer Musik - ein Mozart-Kult stehen sollte.47 War bereits Joseph Goebbels während des Nationalsozialismus an den nach 1945 desavouierten Dirigenten Clemens Krauss mit dem Auftrag herangetreten, einen eigenen Salzburger Mozartstil im Sinne einer Kultstätte zu kreieren48, so wurde "dieses vor der 'Nachkriegsdämmerung' diktierte Konzept"49 von antimodern gesinnten Kritikern der Festspiele erneut forciert und dabei Karajan - "als musikalische[m] Oberhaupt" - die Realisierung zugedacht.50

Ehe diese Intentionen im österreichischen Musikleben virulent wurden und sich der kulturpolitische Vorschub Karajans nach dem erfolgreichen Wiener Konzert zusehends steigern sollte, machten jedoch weitere Auftrittsverbote eine offizielle und öffentliche Beteiligung des Dirigenten bei den Festspielen zunächst unmöglich, woraufhin die Festspielleitung die Entnazifizierungsmaßnahmen kompromisslerisch zu untergraben versuchte, indem sie Karajan als "maestro suggeritore" einsetzte.51

Der nach 1945 vorangetriebene Aufstieg Karajans gründete auf einer - durch Presse und Tonträgerindustrie - massenmedial forcierten Publizität, die den Festspielorganisatoren sicherlich entgegenkam, da sie dem mitterweile prominenten Dirigenten ohnehin hilfreich zur Seite standen: Bereits 1946 hatte Festspielpräsident Puthon Karajan "sehr nachhaltig" unterstützt, und den Besatzungsmächten - allerdings erfolglos - gedroht, "die Festspiele abzusagen, falls der Dirigent nicht auftreten dürfe."52 Egon Hilbert setzte sich als Mitglied einer Begutachterkommission nach dem Besuch des Karajan-Konzerts vom 12. Januar des Jahres für den Dirigenten ein, konnte aber keine endgültige Aufhebung des Auftrittsverbots erwirken.53

Erst als Karajan am 25. Oktober 1947 mit der achten Symphonie von Anton Bruckner in Wien reüssierte, war das Auftrittsverbot - entgegen einer Darstellung von Einems - bereits endgültig aufgehoben, so dass der Dirigent nun ungehindert - ohne seine politische Vergangenheit weiter rechtfertigen zu müssen - sich in das österreichische Musikleben einmischen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Uraufführung von Einems Büchner-Oper Dantons Tod etwa zwei Monate zurück, und der Eindruck von den "erneuerten"Festspielen war somit noch anhaltend und dürfte auch dem zukünftigen Mitakteur Karajan hinsichtlich seiner zukünftigen Rolle bei der Planung und Verwirklichung der Festspiele präsent gewesen sein.

 

Von Einems Festspieldramaturgie und Karajans Vorstellungen

 

Innovationstendenzen, wie von Einem sie als dominierender Verfechter zeitgenössischer Musik und im Zeitraum 1947 – 1951 eigentlicher künstlerischer Leiter der Festspiele hegte, liefen den Intentionen Karajans zuwider: Ähnlich wie der konservativ-reaktionäre Kritiker Heinrich Damisch54, der zugunsten eines Mozart-Kults die "in der Nachkriegsdämmerung von Eindringlingen eingeschmuggelte Uraufführungsidee" abkanzelte55, als sei diese Formulierung auf von Einem gemünzt, so hatte auch Karajan seinerzeit die Uraufführung einer zeitgenössischen Oper wie Dantons Tod im Rahmen der Festspiele abgelehnt.56 War Karajans Aktionsradius während der Entnazifizierungsverfahren zunächst erheblich eingeschränkt gewesen, so konnte der Dirigent es nach Aufhebung des Auftrittsverbotes wagen, auf Konfrontation zu gehen, auch gegen jene Personen, die einst seinen Aufstieg gefördert hatten, darunter Gottfried von Einem.

So wandte sich Karajan am 31. Dezember 1947 mit einem zwölfseitigen Briefpamphlet an bzw. gegen den Komponisten und manifestierte damit gleichsam seine Positionsbestimmung über die Zukunft der Salzburger Festspiele.57 Der in dieser offensiven Philippika angestimmte Grundton des vielfach als "konfliktscheu" charakterisierten Dirigenten58 bewegt sich zwischen vermeintlich anerkennend - wohlwollender Anbiederung und besserwisserischer Anmaßung, in der sich der Führungswille Karajans bekundete, welcher zunächst eine Vormachtstellung unter den Festspielkünstlern anstrebte und - dies bestätigt die Vermutung Kerschbaumers - in letzter Instanz auf die Übernahme einer leitenden Position innerhalb der Festspielorganisation abzielte.

Dass von Einem oftmals umrissene, aber in paradigmatischer Weise erläuterte Festspielkonzept "einer behutsamen Erneuerung der Tradition aus dem Bewußtsein der Gegenwart"59, stellte hingegen weniger den Entwurf einer originären Festspieldramaturgie dar, als ein Konglomerat einiger, in der Festspielgeschichte bereits in Ansätzen vorhandener Ideen.

Ein "gedeihliches Nebeneinander"60, wie es von Einem mit der Restitution der "Florentiner Camerata"61 im Sinne einer "Regeneration europäischer Kultur nach dem Vorbild der platonischen Akademien" in Anlehnung an Hermann Bahr, beabsichtigt hatte62, sollte es mit Herbert von Karajan, der - nach Aussage des Komponisten - auch zu jenem Künstlerkreis gehören sollte63, nicht geben.

Im Gegensatz zu von Einem lehnte Karajan das traditionelle Wiener Ensembletheater, das für den Dirigenten nur noch "ein Synonym für Gasbeleuchtung" war64, ab und fröhnte stattdessen einer massenmedialen Vermarktungsstrategie des Star-Theaters65, das nach Ansicht des Kritikers Hans-Heinz Stuckenschmidt "zwischen Elite-Ästhetik und Manager-Konzeption" anzusiedeln sei.66

Mit diesem kritischen Hinweis auf die kommerzielle Dimension der Tätigkeit Karajans verzahnte sich von Einems Einschätzung67 gleichsam mit der Karajan-Kritik Theodor W. Adornos, die der Sozialphilosoph 1968 anlässlich der Rezension von Ernst Haeussermanns hagiographischem Karajan-Buch wie folgt formulierte:

"Karajans technokratischer Zug ist nicht zu trennen von seiner gesellschaftlichen Funktion. Durch ihn greift die wirtschaftliche Monopolstruktur vollends auf die Musik über. [...] Unleugbar aber zieht damit künstlerischer Dirigismus herauf. Nicht nur die Sprache ist dem Kommerz entlehnt: Das Erstklassige, die Prominenz, die ,Spitzenleistung’. In Karajan setzt ein objektiver gesellschaftlicher  Zwang bis ins innerste Gefädel der musikalischen Darbietung sich um. Er war der musikalische Genius des Wirtschaftswunders."68

Der mit der Inthronisation Karajans als Präzeptor der Festspiele eng verflochtene Disput um den Neubau eines Festspielhauses stellte sich folglich als ein Interessenskonflikt dar, der nunmehr nicht nur unter künstlerischen, sondern auch politischen Gesichtspunkten geführt wurde. Die politischen Vorzeichen in diesen teils intriganten Auseinandersetzungen setzte nicht zuletzt Landeshauptmann Klaus durch seine Einflussnahme auf personelle und organisatorische Belange der Festspiele, die den Eindruck erwecken, als sei aus einem Eigeninteresse heraus das politische Handeln auf die Bedürfnisse des medienversierten Karajan abgestimmt gewesen. Von Einem war über diesbezügliche Vorgänge offenbar informiert und ließ während einer Direktoriumssitzung am 19. August 1955 verlauten, "daß er gehört habe, Klaus habe private Gespräche mit dem Maestro geführt."69 Der mit der Bevorzugung Karajans heraufziehenden Gefahr einer möglichen Zurücksetzung anderer Dirigenten, wie sie zum Beispiel Karl Böhm für sich befürchtete und daher mit Rücktritt drohte, stellte sich von Einem im Gespräch mit Festspielpräsident Puthon entgegen, wie aus dem Sitzungsprotokoll zu ersehen ist.70

Entlassungsbefürchtungen, wie Böhm sie hegte, waren nicht unbegründet, denn die vermeintlichen "Gerüchte" um Karajans Ansinnen hatten durch die Handlungsmanöver von Josef Klaus bereits ein Jahr zuvor personelle Konsequenzen gezeitigt: Egon Hilbert, der als selbstbewusstes Direktoriumsmitglied nicht gewillt war, sich Karajan unterzuordnen, war, obwohl zur ÖVP neigend, aus dem Direktorium entfernt worden und äußerte sich diesbezüglich in einem Brief an Gottfried von Einem vom 22. November 1954 über die "Niedrigkeit" und "Bösartigkeit" gewisser Politiker, einschließlich Josef Klaus, der seine Entlassung betrieben hatte.71 Sowohl Gottfried von Einem als auch Josef Kaut, die beide - wie bereits aus einem Brief Kauts vom 29. November 1953 hervorgeht72 - eine "heftige Abneigung gegen Klaus" hegten73, standen Hilbert zur Seite. Noch sechs Jahre später, am 9. Februar 1959 teilte Kaut von Einem brieflich mit, dass er entweder ihn "oder Egon Hilbert als Kandidaten für die Präsidentschaft der Festspiele unterstützen wolle."74

Eine realistische Aussicht auf die Wahl zum Festspielpräsidenten hatte von Einem sowieso kaum, da nicht damit zu rechnen war, dass die Mehrzahl der Parteigänger Karajans für den Komponisten votieren würde, zumal von Einem offenkundig der Ruf eines unliebsamen Querulanten vorausging, der von der festspielpolitischen Linienführung des Landeshauptmanns abwich. Vor diesem Hintergrund sind auch jene Konfrontationen zur Zeit des 'Kalten Krieges' zu bewerten, denen sich Gottfried von Einem im Zuge seines Eintretens für den Schriftsteller Bertolt Brecht ausgesetzt sah und die schließlich zu Einems Entlassung aus dem Festspieldirektorium führen sollten.

 

Musik und Politik – Kultur und Zeitgeschichte

 

Die kulturpolitisch bedeutsame Stellung von Einems in der musikalischen Nachkriegsgeschichte Österreichs, entwickelte sich von Salzburg aus - nach Ansicht von Harald Kaufmann - insbesondere aufgrund von zwei entscheidend ineinandergreifenden Faktoren: Zum einen verschaffte die erfolgreiche Uraufführung der Oper Dantons Tod von Einem ad hoc einen relativ großen Bekanntheitsgrad, der die Öffentlichkeit in musikalischer Hinsicht weiterhin aufhorchen ließ, und zum anderen wusste sich der kontaktfreudige Komponist auch gesellschaftlich durch sein wendiges, tendenziell populistisches und mitunter kompromissbereites Verhalten zwischen Polaritäten geschickt in Szene zu setzen:75 Ob von Einem bei seinen kulturpolitischen Avancen, von Kaufmann als "Gesellschaftsformspiel" bezeichnet, vorrangig die "Klügeren unter den Konservativen" auf seine Seite zu ziehen verstand, wie Kaufmann diplomatisch bemerkte, und demnach zu fragen wäre, inwieweit die Klugen konservativ waren oder die Konservativen klug, dürfte kaum eindeutig zu ermessen sein.

Die fortwährend bekundete opponierende Einstellung gegen den NS-Staat sowie gegen Rechtsradikalismus überhaupt76 ist - wie immer wieder zu beobachten - ein Signum zahlreicher Selbstdarstellungen von Einems, in denen der Komponist emphatisch seine Gestapo-Haft als Indiz einer Widerstands-Haltung angeführt hat. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, dass von Einem andererseits während der Berliner und Bayreuther Opernzeit den Verlockungen einer protegierten Karriere nicht widerstehen konnte und seinen steilen Aufstieg in der Anfangsphase somit auch einigen Nazi-Größen zu verdanken hatte. Mag dieser Umstand durch die Unfertigkeit eines seinerzeit jungen, gerade 20-jährigen Künstlers relativiert werden, so blieben jedoch auch Jahrzehnte später von Einems eigennützige Bedürfnisse im Prinzip der Maßstab seines Handelns.

Jene Wertschätzung, die von Einem in zum Teil überschwänglicher Form von Politikern zuteil wurde und vielerorts - auch seine Nähe zu SPÖ-, Grünen- und vornehmlich ÖVP-Parteigängern bezeugte, zeigte sich selbst bei Politikern, deren kulturpolitische Absichten zu einem früheren Zeitpunkt mit den Interessen des Komponisten unvereinbar gewesen waren, später aber aus Alterseinsicht und zeitlicher Distanz - wie bei von Einem selbst - weniger beharrlich und eher gemäßigt zum Ausdruck kamen. War der Komponist im Zuge des 'Kalten Krieges' aufgrund seines durchaus verdienstvollen Eintretens für Brecht von seinem ärgsten politischen Widersacher, dem Salzburger Landeshauptmann und späteren Bundeskanzler Josef Klaus, noch als "Schande für Österreich"77 beschimpft worden, so wandelte sich diese, von Parteigängern Einems heftigst verurteilte Schmähung später in gegenseitige Anerkennung, so dass sich die einstigen Kontrahenten einander versöhnlich gegenüberstanden.78

Nach dem vielbeachteten Anfangserfolg der Oper Dantons Tod schien die gemäßigte "Brisanz" der nachfolgenden, nicht mehr so sehr an Boris Blacher orientierten Werke von Einems jedoch allmählich zu verflachen. Die Wirkung der zu Beginn der fünfziger Jahre (vielleicht bis zum Prozeß) noch euphorisch aufgenommenen, zunehmend aber an Romantizismen orientierten Kompositionen, schien selbst bei einem eher traditionsverhafteten Festspiel-Klientel in fortschreitendem Maße verpufft. Im Zeichen eines neoromantischen "Mainstreams" mochten die späten Werke von Einems in ihrer häufig synthetischen Bruckner-Mahler-Nähe - vielfach als epigonal beargwöhnte Relikte - wie ein anachronistischer Abgesang oder ein vergangenheitsseliges Lamento auf das 19. Jahrhundert bzw. die Jahrhundertwende erscheinen.

Auch die Titulierung „Staatskomponist“ erinnert daran, ein bezüglich von Einem nicht selten elogenhaft verwendeter Begriff, der wie eine nobilitierende Verkehrung des Begriffs „Staatsmusikant“ wirkt, den Karl Marx seinerzeit in wohlweislich kritischer Absicht auf Richard Wagner gemünzt hatte. Es mutet es angesichts der unstrittig bedeutsamen und einflussreichen Stellung, die von Einem in der Nachkriegszeit im österreichischen Musikleben erlangte, erstaunlich an, dass in Studien bzw. Komponisten-Monographien der kulturpolitische Aktionsradius neben der kompositorischen Tätigkeit weder umfassend, noch systematisch im zeitgeschichtlichen Kontext behandelt worden ist. Die wissenschaftliche Aufarbeitung musikpolitisch gefärbter Komponisten-Biographien im Kontext von Musik- und Zeitgeschichte jenseits apologetischer Verfärbung tut somit - wie das Beispiel von Einems vergegenwärtigt – insofern not, als sich Abhandlungen zu Leben und Werk häufig in extrem polarisierter Front zwischen Eloge und Verriss bewegen. Dass Extreme als scheinbar unvereinbare Polaritäten auf Komponisten und Interpreten zutreffen dürften, mag nach genauerer Kenntnis ihrer Vita anzunehmen sein, wird in aller Pauschalität ihrem Leben und Werk jedoch nicht gerecht und bedarf daher der jeweiligen, vom musik- wie polithistorischen Kontext abhängigen ideen-, entstehungs- und rezeptionsgeschichtlichen Differenzierung hinsichtlich der Bewertung  von  biographischen, werkgeschichtlichen und ästhetischen Konstituenten.

 

 

Der Beitrag basiert auf einer überarbeiteten Fassung eines Vortrages, den der Verfasser im Rahmen des von Albrecht Riethmüller und Michael H. Kater konzipierten Symposiums „Deutsche Leitkultur Musik? Zur Musikgeschichte nach dem Holocaust“ 2002 in Berlin gehalten hat.

 


 


 

  1. Vgl. Hans Vogt, Neue Musik seit 1945, Stuttgart 21972, S. 15ff.
  2. Jost Hermand, Kultur im Wiederaufbau. Die Bundesrepublik Deutschland 1945-1965, München 1986, S. 89.
  3. Oliver Rathkolb, Die Entwicklung der US-Besatzungspolitik zum Instrument des Kalten Krieges, in: Friedrich Stadler (Hg.), Kontinuität und Bruch 1938-1945-1955. Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Wien/München 1988, S. 35.
  4. Vgl. Walter Manoschek, Verschmähte Erbschaft. Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus 1945 bis 1955, in:Reinhard Sieder, Heinz Steinert, Emmerich Tálos (Hg.), Österreich 1945 – 1995. Gesellschaft, Politik, Kultur, Wien 1995, S. 96ff.
  5. Vgl. ausführlicher Thomas Eickhoff, Keuner und Karajan im „Kalten Krieg“ - Die Versuche des Komponisten Gottfried von Einem, Bertolt Brecht für die Salzburger Festspiele zu gewinnen, in: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur [The University of Wisconsin Press, Madison, Wisconsin], 90, 1998, S. 317-338.
  6. Vgl. Jan Knopf, Brecht-Handbuch. Theater. Eine Ästhetik der Widersprüche, Stuttgart 1980, S. 365.
  7. John Milfull, Der Tod in Salzburg? Biedermann und die Brandstifter. Frisch, Hofmannsthal, Brecht, in: Manfred Jurgensen (Hg.), Frisch. Kritik - Thesen - Analysen, Bern/München 1977, S. 157.
  8. Theodor W. Adorno, Oper: Provinz oder Monopol, in: ders., Musikalische Schriften VI ( = Gesammelte Schriften, Bd. 19), Frankfurt a. M. 1984, S. 428f.
  9. Vgl. grundlegend Thomas Eickhoff, Politische Dimension einer Komponisten-Biographie im 20. Jahrhundert – Gottfried von Einem (Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft XLIII), Stuttgart 1998, S. 87ff.
  10. Vgl. Edda Fuhrich/Gisela Prossnitz, Die Salzburger Festspiele (Bd. 1: Ihre Geschichte in Daten, Zeitzeugnissen und Bildern 1920-1945), Salzburg/Wien 1990, S. 66. Als Dokumentation neueren Datums siehe grundlegend Angelica Bäumer (Hg.), Gottfried von Einem und die Salzburger Festspiele. Eine Publikation der Salzburger Festspiele, Salzburg: Salzburger Festspiele, 1998
  11. Vgl. Friedrich Saathen, Einem-Chronik. Dokumentation und Deutung, Wien/Köln/Graz 1982, S.138f., nachfolgend zit. als Einem-Chronik.
  12. Stephen Gallup, Die Geschichte der Salzburger Festspiele, Wien 1989, S. 193. Die Darstellung Gallups erweckt übrigens fälschlicherweise den Eindruck, als habe die Verhaftung von Einems nicht 1938, sondern nach 1942 stattgefunden. (ebd.).
  13. Rathkolb, a. a. O., S. 37.
  14. Gallup, a. a. O., S. 187.
  15. Ebd., S. 188.
  16. Zit. nach Gallup, ebd.
  17. Rathkolb, a. a. O., S. 36.
  18. Ebd.
  19. Oliver Rathkolb, Austriakischer Kulturexport, in: Gert Kerschbaumer/Karl Müller, Begnadet für das Schöne. Der rot-weiß-rote Kulturkampf gegen die Moderne, Wien 1992, S. 67.
  20. Gallup, a. a. O., S. 184. Hilbert hatte im KZ "besonders enge Kontakte zu späteren ÖVP-Führungskreisen um Leopold Figl; so wurde er auch im September 1945 von seiner Position als Leiter des Salzburger Landestheaters nach Wien berufen." (Rathkolb 1992, a. a. O., S. 67).
  21. Ebd., S. 185.
  22. Vgl. ebd., S. 183f.
  23. Ebd., S. 184.
  24. Ebd., S. 293.
  25. Rathkolb 1992, a. a. O., S. 67.
  26. Oliver Rathkolb, Führertreu und Gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991, S. 125. Zu Karl Böhms politischer Einstellung während der NS-Zeit vgl. auch die Bemerkungen des mit Böhm seinerzeit kontaktierenden Zeitzeugen Berthold Goldschmidt, in: Berthold Goldschmidt. Komponist und Dirigent. Ein Musiker-Leben zwischen Hamburg, Berlin und London, hg. v. Peter Petersen und der Arbeitsgruppe Exilmusik am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg, Hamburg 1994, S. 44 u. 59.
  27. Einem-Chronik, S. 146.
  28. Gallup, a. a. O., S. 187f.
  29. Gallup, a. a. O., S. 198.
  30. Ebd.
  31. Vgl. ebd., S. 196.
  32. Einzelne Presseberichte werden ausgiebig referiert bei Konrad Lezak, Das Opernschaffen Gottfried von Einems, Wien 1990, S. 162ff.
  33. Eberhard Preußner, Der Salzburger Festspiele „neuer Teil“, in: Melos 14, 1947, Heft 12, S. 344.
  34. Prof. Ernst Sompek, Die Oper von Gottfried von Einem - einmal anders betrachtet, in: Berichte und Informationen, 17.10.1947, zit. nach Kerschbaumer/Müller, a. a. O., S. 129.
  35. Kerschbaumer/Müller, a. a. O., S. 129.
  36. Ebd.
  37. Ebd.
  38. Klemens Kaatz, ,Dantons Tod’ nach Georg Büchner. Gottfried von Einems Oper im Spannungsfeld zwischen Revolution und Reaktion (Unveröffentlichte Staatsexamensarbeit), Hamburg 1994, S. 78.
  39. Einem-Chronik,S. 146.
  40. Vgl. Michael H. Kater, Die mißbrauchte Muse. Musiker im Dritten Reich, München/Wien, 1998, S.115ff.
  41. Rathkolb 1988, a. a. O., S. 211
  42. Zit. nach Robert C. Bachmann, Karajan. Anmerkungen zu einer Karriere, Düsseldorf/Wien 1983, S. 98f.
  43. Vgl. Gallup, a. a. O., S. 189. Noch in den 80er Jahren stellte Karajan im Gespräch mit Richard Osborne die Entnazifizierung in Abrede: "Die hatten ja alle keine Ahnung. Die Leute wurden in Kategorien eingeteilt - großer Nazi, kleiner Nazi - und endlos verhört. Ich versuchte, mich daraus zu halten. Bitte, ich würde mich mit dem größten Vergnügen mit irgendjemanden unterhalten, aber mich persönlich angreifen lassen - nein." (Herbert von Karajan, Dirigieren - das ist vollkommenes Glück. Gespräche mit Richard Osborne, München/Zürich 1990, S. 83).
  44. Vgl. Bachmann, a. a. O., S. 169.
  45. Vgl. Rathkolb 1988, a. a. O., S. 203.
  46. Gert Kerschbaumer, 1956: Die Weltfeier des Karajan-Kartells, in: Kerschbaumer/Müller, a. a. O., S. 241.
  47. Vgl. ebd., S. 240
  48. Vgl. Gallup, a. a. O., S. 171.
  49. Kerschbaumer, a. a. O., S. 240.
  50. Kerschbaumer schreibt dazu: „Programmdogmatiker und Fundamentalisten wie Heinrich Damisch attackierten hingegen zum x-tenmal die nach 1945 realisierten modernen Inszenierungsexperimente und Uraufführungen, und zwar in einer Sprache, die vom gefürchteten Kampfblatt der österreichischen Hitler-Bewegung übernommen und adaptiert wurde: „Rasante Überfremdung“, „Machtergreifung eines usurpatorischen Elements“ und „in der Nachkriegsdämmerung von Eindringlingen eingeschmuggelte Uraufführungsidee“. (ebd.).
  51. Ebd.
  52. Gallup, a. a. O., S. 186.
  53. Vgl. Bachmann, a. a. O., S. 169 bzw. 173.
  54. Vgl. zu Heinrich Damisch und dessen ursprünglicher Absicht, aus Salzburg ein "österreichisches Bayreuth" zu formen Gallup, a. a. O., S. 18f.
  55. Zit. nach Kerschbaumer, a. a. O., S. 239.
  56. Vgl. Gallup, a. a. O., S. 198.
  57. Der Brief ist vollständig zitiert bei Franz Endler, Karajan. Eine Biographie, Hamburg 1992, S. 114ff.
  58. Vgl. ebd., S. 113.
  59. Einem-Chronik, S. 170.
  60. Gottfried Kraus, 75 Jahre Salzburger Festspiele - von der Idee zur Wirklichkeit, in: Begleitheft zur CD 75 Jahre Salzburger Festspiele (Orfeo C 409951 Z, 1995), S. 8.
  61. Zu den ästhetisch-philosophischen Implikationen dieses Begriffs vgl. ausführlich Dénes Zoltai, Ethos und Affekt. Geschichte der philosophischen Musikästhetik von den Anfängen bis zu Hegel, Berlin/Budapest 1970, S. 123ff. sowie Egert Pöhlmann, Antikenverständnis und Antikenmißverständnis in der Operntheorie der Florentiner Camerata, in: Die Musikforschung 22. Jg. (1969), Heft 1, S. 5 - 13.
  62. Vgl. Einem-Chronik, S. 170.
  63. Vgl. „Alles über Musik“ - Gottfried von Einem im Gespräch mit Robert Werba. ORF-Rundfunksendung vom 25. Januar 1993, Tonbandmitschrift im Besitz des Verfassers.
  64. Zit. nach Adorno, Oper: Provinz oder Monopol, a. a. O., S. 430.
  65. Vgl. die Erläuterungen Karajans im Gespräch mit Peter Csobádi, Die kontrollierte Ekstase. Versuch über Herbert von Karajan, in: Dagmar Stecher-Konsalik/Georg von Turnitz (Hg.), Bühne der Welt. Glanzvolles Salzburg, Bayreuth 1985, S. 72. Entgegen der affirmativen Stellungnahmen in dieser - als „Festspiel-Hommage“ untertitelten - Publikation der Karajan-Ära vgl. die kritischen Betrachtungen zu Karajans Vorstellungen eines vermeintlich „neuartigen Ensemble-Theaters“ von Jürgen Kesting, Herbert von Karajan und die Folgen, in: ders., Die großen Sänger, Bd. 2, Düsseldorf 1986, S. 1165 - 1177.
  66. Hans-Heinz Stuckenschmidt, Zwischen Elite-Ästhetik und Manager-Konzeption, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17. April 1976, S. 21.
  67. Gottfried von Einem im Gespräch mit dem Verfasser, Wien, 23. Januar 1993
  68. Adorno, Oper: Provinz oder Monopol, a. a. O., S. 428f.
  69. Gallup, a. a. O., S. 231 bzw. S. 295.
  70. Ebd.
  71. Ebd., S. 230.
  72. Vgl. ebd., S. 295.
  73. Ebd., S.228 sowie S. 257.
  74. Ebd., S. 236 bzw. S. 296.
  75. Harald Kaufmann, Vom Jammer mit dem aktuellen Musikleben. Thema mit fortsetzbaren Variationen, in: ders., Fingerübungen. Musikgesellschaft und Wertungsforschung, Wien 1970, S. 100.
  76. So grenzte sich von Einem z.B. in einem Interview auch von der rechtspopulistisch geführten FPÖ Jörg Haiders ab. (vgl. Ruth Pauli, „Nur mein Sohn kann Haider stoppen“, in: Die ganze Woche, Nr. 19 (1995), S. 40f.).
  77. Irene Suchy, „Das Publikum ist mein Partner“, in: Freunde der Wiener Staatsoper (Hg.), Die Wiener Staatsoper. Jahrbuch 1993, Wien 1993, S. 121.
  78. Von Einem schreibt dazu in seinen Memoiren: "Das waren also meine Salzburger Erlebnisse. Ich muß jedoch dem damaligen Landeshauptmann und späteren Altbundeskanzler Dr. Klaus Gerechtigkeit widerfahren lassen. Vor wenigen Jahren, er war damals schon in den Achtzigern und schwer leidend, ersuchte er über seinen Nachfolger, Dr. Lechner, und Außenminister Mock um ein Treffen mit mir. Ich rief ihn zurück, und er sagte mir, daß er mich unbedingt zu sprechen wünschte. Wir trafen uns dann im Café Griensteidl, und er entschuldigte sich bei mir in bewegten Worten. Das fand ich wirklich allerhand, und das darf nicht unerwähnt bleiben." (Gottfried von Einem, "Ich hab' unendlich viel erlebt", aufgezeichnet von Manfred A. Schmidt, Wien 1995, S. 195).


master
09.07.2013 22:30

Gegendarstellung
In Ihrer letzten Nummer hat ein mir unbekannter Dr. Eyckhoff behauptet, Gottfried von Einem wäre nur "angeblich nazifeindlich" gewesen und hätte sich "zur Zeit des Nationalsozialismus nicht immer eindeutig zwischen Anpassung und Widerstand bewegt." Ich darf Herrn Eyckhoff wie auch die Leser/innen aufklären, dass mein Mann posthum zu einem "Gerechten unter den Völkern" erklärt wurde, weil er mehrmals unter Einsatz seines eigenen jüdisches Leben gerettet hat. Auch Eyckhoffs Behauptung, Gottfried von Einem hätte sich "als kontaktfreudiger Komponist gesellschaftlich durch sein wendiges, tendenziell populistisches und mitunter kompromissbereites Verhalten zwischen Polaritäten geschickt in Szene gesetzt", entbehrt nicht der Komik. Mein Mann hat über 25 Jahre lang in einem Holzfällerhaus auf einer einsamen Waldwiese gelebt. Mit 6 Schafen, 6 Katzen, einem Kaninchen und mir. Sein "Rindlberger Marsch" und die "Waldviertel-Lieder" sind sein Dank an das geliebte kleine Dorf. Lotte Ingrisch


master
10.07.2013 09:46

Anmerkung der Redaktion
Frau Ingrisch bezieht sich in Ihrem Statement auf die ursprünglich veröffentlichte Fassung des Artikels. In der Zwischenzeit hat Dr. Eickhoff seinen Text gekürzt.