Vermittlung Magazin

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Sechs Schlaglichter auf die Bühnenwerke von Peter Eötvös

ESSAY
Axel Petri-Preis

studierte Musikerziehung, Germanistik und Musikwissenschaft in Wien. Musikerzieher, Autor von musikwiss. Texten und Einführungstexten und Dramaturg (Neue Oper Wien). Leiter der Musikvermittlung und redaktioneller Leiter von terz.

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1 Theatermusik

 

Liebe zum Theater sei es, die ihn in seinem kompositorischen Schaffen antreibe, sagt Peter Eötvös, denn Musik sei für ihn in erster Linie ein Medium zur Kommunikation, zur Vermittlung von Gefühlen. Erst 14-jährig wurde Eötvös an die Musikakademie in Budapest aufgenommen, wo seine Musik für ein Filmprojekt der Hochschule derart großen Anklang fand, dass er in der Folge zahlreiche Aufträgen für Theatermusik erhielt. Diese erste Karriere als Theaterkomponist beeinflusste nachhaltig sein kompositorisches Schaffen.

 

2 Der Tod (in) der Oper

 

Als seinen „ersten Opernversuch“ beschreibt Peter Eötvös „Radames“, in dem sich bereits die ausgesprochene Sensibilität des Komponisten für das Verhältnis zwischen Musik und Wort zeigt, die für sein gesamtes späteres Opernschaffen prägend sein sollte. In vier verschiedenen Sprachen übt der Komponist Kritik am Opernbetrieb, indem er einen, von drei Regisseuren malträtierten, Sänger während dessen Sterbeszene aus dem Leben scheiden lässt.

 

3 Faszination Japan

 

In „Radames“ zeigt sich auch – und damit knüpft der Komponist direkt an sein erstes Bühnenwerk „Harakiri“ an – Peter Eötvös’ Faszination für Japan und die fernöstliche Philosophie. Die Instrumentierung der Urfassung sah ein japanisches Shakuhachi vor, das er in der Neuinstrumentierung von 1997 allerdings zur besseren Aufführbarkeit des Stückes wieder eliminierte. In einigen Orchesterwerken, sehr prominent aber vor allem in drei seiner Bühnenwerke lässt sich Eötvös Affinität zu Japan erkennen. Inspiriert vom Künstler Yukio Mishima, der 1970 als Folge seines missglückten Putschversuches Seppuku (den ritualisierten Selbstmord der Samurai) beging, komponierte er „Harakiri“. Vorausweisend auf sein späteres Werk „Le Balcon“ ist in „Harakiri“ der Einsatz von Jazzelementen. „As I crossed a bridge of dreams“ basiert wie „Lady Sarashina“ auf Texten einer anonymen japanischen Hofdame der Heian-Zeit (749-1185).

 

4 Liebe, Engel und Dämonen

 

Mehrmals betonte Peter Eötvös in Interviews, dass er sich in jeder seiner Oper musikalisch neu erfinde. Er ist überzeugt davon, dass jeder Stoff seine eigene musikalisch-klangliche Entsprechung braucht. So rekurriert der Komponist in „Le Balcon“ auf Jazz ebenso wie Chansons und taucht in „Tri Sestri“ in eine musikalische Welt ein, „die (...) weder dem gleicht, was ich vorher komponiert habe, noch dem, was ich danach komponieren werde.“ Die Instrumente des Kammerensembles charakterisieren die einzelnen Figuren der Oper, während ein großes Orchester hinter der Bühne den musikalischen Raum erweitert.

Bereits in „Tri Sestri“ und „Le Balcon“ war es unter anderem „um das Dämonische von Liebe und Sexualität gegangen“ (Frieder Reininghaus), in den späteren Werken „Angels in America“, „Love and other Demons“ und den beiden Opern über Lilith, „Die Tragödie des Teufels“ und „PARADISE RELOADED (LILITH)“ rückt dieser Themenkomplex nun endgültig in den Mittelpunkt. Mittels einer außergewöhnlichen Besetzung und dem raffinierten Einsatz der Tontechnik schafft Eötvös in „Angels of America“ den musikalischen Spagat zwischen konkreten Geräuschen und Engelsgesängen. Ein Libretto in vier Sprachen, um die unterschiedlichen Handlungsebenen deutlich hervorzuheben ist (wie schon bei „Radames“) charakteristisch für die Vertonung von „Love and other demons“.

Da Peter Eötvös zwar mit dem Stoff, nicht aber mit dessen Umsetzung in seiner Oper „Tragödie des Teufels“ besonders glücklich war, schuf er mit „PARADISE RELOADED (LILITH)“ schließlich einen neuen Zugang zum Themenkomplex rund um die Schöpfungsgeschichte. Statt Lucifer rückt er dabei die Figur der Lilith (die subkutan bereits in „Love and other demons“ in der Figur der Sierva Maria anklingt) stärker ins Zentrum.

 

5 Perspektivwechsel

 

Auf einem erfolgreichen Theaterstück von Roland Schimmelpfennig, mit dem er gemeinsam das Libretto erarbeitete, basiert die jüngste Oper von Peter Eötvös „Der goldene Drache“. Komponiert für ein Kammerensemble und fünf SängerInnen (für 17 teils sehr unterschiedliche Rollen), beleuchtet das Stück aus verschiedenen Perspektiven die tragikomischen Vorgänge rund um ein Asia-Restaurant.

 

6 Literaturoper?

 

Auffallend ist, dass Eötvös seine Opernstoffe stets aus großen literarischen Vorlagen destilliert (Tschechow, Genet, Kushner, Marquez, Madách, Schimmelpfennig...). Der Umgang mit der Vorlage ist jedoch jeweils unterschiedlich. Während er in „Tri sestri“, wie auch in den beiden Lilith-Opern „Die Tragödie des Teufels“ und „PARADISE RELOADED (Lilith)“ sehr frei mit dem Original umgeht, bleibt er bei „Le Balcon“, „Angels in America“ und „Love and other demons“ so nahe an der Vorlage, dass hier von echten Literaturopern gesprochen werden kann. In Bezug auf die Wichtigkeit der Handlung nennt Peter Eötvös seine Opern „Spielopern“ oder „klingende Theaterstücke“, in denen ihm stets die Verständlichkeit des Textes ein großes Anliegen ist.

 

 

 


 

 

Dieser Text erschien als Einleitungsessay zum Schott-Opernführer "Peter Eötvös".