Vermittlung Magazin

Zurück zu Shakespeare!

Claus H. Hennebergs Lear-Libretto für Aribert Reimann und seine englische Übersetzung von Desmond Clayton

ESSAY
Albert Gier

Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg. Forschungsschwerpunkt: die Literaturen Frankreichs, Italiens und Spaniens. Ein besonderer Schwerpunkt in Forschung und Lehre sind die Beziehungen zwischen Musik und Literatur - Librettoforschung (Librettologie), Musik in der Literatur, Musiktheater, Oper, Operette.

 


"Shakespeare als Vorlage für eine Oper zu benutzen, ist eine der wüstesten Unternehmungen, denen man sich aussetzen kann", schrieb der Librettist Claus H. Henneberg1 im Rückblick auf seine von Dietrich Fischer-Dieskau angeregte2 Lear-Adaptation für Aribert Reimann (UA München, 9. Juli 1978). Für die Musiktheater-Bühne sind Shakespeares Dramen nicht nur zu lang (wie alle Sprechstücke), sie seien auch zu kompliziert: Die dramaturgischen Strukturen "werden (…) für das Musiktheater erst erreichbar, wenn ein Modus gefunden wird, der den großen Zug des betreffenden Stückes beibehält, aber auf die verzwickte Kleinform der einzelnen Szenen verzichtet"3.

 

Henneberg hat Shakespeares Lear – in der alten Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg4, deren "harte Sprache" ihm "Shakespeare gemäßer"5 erschien als die Version Wolf Heinrich Graf von Baudissins in der Schlegel–Tieck-Ausgabe – gleichsam auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Natürlich mußte er radikal kürzen: Shakespeares Tragödie ist gut dreimal so umfangreich wie das Opernbuch6, wobei "circa vierzig Prozent des Wortlautes nicht einmal mehr auf Shakespeare fuß[en]"7. Die Kürzungen und Vereinfachungen verändern nun aber nicht nur die dramaturgische Makrostruktur, sondern auch die sprachliche Form der einzelnen Repliken8: Shakespeare hat die Affekte seiner Figuren rhetorisch überhöht, steigernde Wiederholungen, die redundante Häufung von Bildern und Metaphern bewirken, daß "jede Zeile" des Schauspieltexts "Musik in sich selbst" birgt9, sind aber mit der sprachlich-stilistischen Ökonomie, die in einem zur Vertonung bestimmten Text gefordert ist, kaum vereinbar.

 

Hier hat Henneberg vieles getilgt, anderes reduziert: Lears Sturm-Monolog (III 2, V. 1-9; 14-24) umfaßt bei Shakespeare zwanzig Blankverse (200 Silben), im Libretto sechzehn Zeilen (125 Silben), ist also um knapp 40 % gekürzt (deutlich weniger als der Durchschnittswert). Die Bilder, mit denen Shakespeare das Toben der Elemente darstellt, bleiben großenteils erhalten10, aber die syntaktischen Einheiten sind im deutschen Text durchgehend kürzer:

 

Blow, winds, and crack your cheeks! rage! blow!

You cataracts and hurricanoes, spout

Till you have drench’d our steeples, drown’d the cocks!

You sulph’rous and thought-executing fires,

Vaunt-couriers of oak-cleaving thunderbolts,

Singe my white head! And thou, all-shaking thunder,

Strike flat the thick rotundity o’ th’ world!

Crack Nature’s moulds, all germens spill at once

That makes ingrateful man!

Fool. O Nuncle, court holy-water in a dry house is better than this rain-water out o’ door. Good Nuncle, in, ask thy daughters blessing; here’s a night pities neither wise men nor Fools.

Lear. Rumble thy bellyful! Spit, fire! Spout, rain!

Nor rain, wind, thunder, fire, are my daughters:

I tax you not, you elements, with unkindness;

I never gave you kingdom, call’d you children,

You owe me no subscription: then let fall

Your horrible pleasure; here I stand, your slave,

A poor, infirm, weak, and despis’d old man.

But yet I call you servile ministers,

That will with two pernicious daughters join

Your high-engender’d battles ’gainst a head

So old and white as this. O, ho! ’tis foul.

Blast, Winde, sprengt die Backen!

Wütet! Blast!

Orkane und Wolkenbrüche, speit Fluten aus

und überschwemmt die Türme.

 

 

 

 

 

Donner, schlage die Erdkugel flach.

Vernichte die Natur,

ersticke den Schöpfungskeim,

der undankbare Menschen macht. –

 

 

 

 

 

 

 

Regen, Blitz und Donner,

ihr seid nicht meine Töchter.

 

Euch gab ich keine Königreiche,

euch nannte ich nicht meine Kinder.

Ihr seid mir nicht Gehorsam schuldig.

 

 

 

Doch nenne ich euch Helfer meiner Töchter.

Im Bund mit ihnen türmt ihr Schrecken

 

auf dieses alte Haupt.

Narr. Ach, Hofweihwasser im trockenen Haus ist besser,

als Regenwasser auf der Gasse.

 

Da der Narr in der Oper eine Sprechrolle hat (s.u.), wäre der Kontrast zwischen seinem eingeschobenen Kommentar und Lears gesungenem Monolog viel markanter als bei Shakespeare, deshalb rückt ihn Henneberg ans Ende. Die Metapher Hofweihwasser ("Schmeichelei"11) ist für ein heutiges Publikum nicht ohne weiteres verständlich, dennoch wurde sie – wohl ihrer Anschaulichkeit wegen – beibehalten.

 

Nachdem Claus H. Henneberg – erfolglos – versucht hatte, sein Buch selbst ins Englische zu übertragen12, verfaßte Desmond Clayton das englische Libretto. Die stets heikle Aufgabe, eine singbare Übersetzung zu erstellen, wird durch Shakespeares Drama auf durchaus reizvolle Weise zusätzlich erschwert: Der englische Übersetzer sieht sich herausgefordert, den Wortlaut der Schauspielvorlage zu übernehmen, wenn die musikalische Prosodie und die inhaltlichen Abweichungen des Librettos von der Dramenvorlage das nur irgend zulassen. Der (Wieder-)Annäherung an den originalen King Lear sind freilich Grenzen gesetzt – zum  einen durch Stukturunterschiede zwischen der englischen und der deutschen Sprache, zum anderen durch den gegenüber der Vorlage vereinfachten, entrhetorisierten Stil des deutschen Librettos: Da es darum ging, Hennebergs Fassung zu übersetzen, und nicht, Reimanns Musik den Text Shakespeares zu unterlegen, mußte der Übersetzer überall da, wo Henneberg von Shakespeare abweicht, Henneberg folgen. Das Ergebnis dieser Gratwanderung scheint repräsentativ für Tendenzen der literarischen Ästhetik des Librettos in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der Übersetzer Desmond Clayton gibt Lears Monolog so wieder13:

 

Blow, winds, blow! Crack your cheeks, winds!

Rage and blow!

You cataracts and hurricanes, spout rain and floods

Until you’ve drowned the towers.

Thunder, strike flat the world’s rounded form.

Split nature’s secret shapes

And smother the creative germs

That go to make ingrateful man.

Lightning, rain and thunder,

You are not my daughters.

You ne’er received a kingdom from me;

I never said you were my children.

You owe me no subscription, either.

But yet I call you servants of my daughters,

So help them pile up yet more evil

Upon this old white head. (S.  135)

 

Ziemlich genau die Hälfte des Wortmaterials ist aus Shakespeares Vorlage übernommen. Dennoch geht nur ein Vers unverändert in das englische Libretto ein (V. 2: "You cataracts and hurrican[o]es, spout"); Shakespeares V. 9 ("That makes ingrateful man") ist lediglich um zwei Silben erweitert ("That go to make ungrateful man") und entspricht so dem deutschen "der undankbare Menschen macht"14. Obwohl Henneberg Shakespeares Verse ziemlich getreu übersetzt, kann Clayton mit Rücksicht auf Syntax und Prosodie des deutschen Librettos meist nur einzelne Lexeme aus der englischen Vorlage übernehmen; dabei bleibt er gelegentlich enger an Shakespeare als der Deutsche, vgl. etwa "Split nature’s secret shapes" (statt "Vernichte die Natur") für "Crack Nature’s moulds" (V. 8). An anderen Stellen gibt er der Lesart des deutschen Librettos den Vorzug; so übersetzt er "und überschwemmt die Türme" mit "Until you’ve drowned the towers", statt Shakespeares "steeples" zu übernehmen. Die Genauigkeit der Übersetzung wird mit kleineren prosodischen Unstimmigkeiten erkauft, vgl. gleich zu Beginn:

„Blást, Wínde, spréngt die Bácken“ mit „Blów, wìnds, blów! Cráck your chéeks, wìnds!“

Allerdings sind in Reimanns Musik an dieser Stelle die Betonungen allenfalls schwach akzentuiert.

 

Lears Monolog stellt freilich einen Sonderfall dar: Da Henneberg an dieser zentralen Stelle eng an Shakespeare anschließt, gibt er Clayton die Möglichkeit, das deutsche Libretto relativ wörtlich zu übersetzen und sich dabei dennoch der Dramenvorlage anzunähern. Wenn Henneberg sich von Shakespeare entfernt, nehmen meist auch die Schwierigkeiten des englischen Übersetzers zu.

In der ersten Szene verstößt Lear die scheinbar lieblose Cordelia (I 1, V. 108-120) und ruft in acht formelhaft-feierlichen Versen (V. 109-116) Sonne, Unterwelt und Himmel als Zeugen an. Henneberg formuliert in nur vier Versen wesentlich schlichter, von Shakespeare übernimmt er nur Lears Beteuerung, er fühle sich barbarischen Mördern enger verbunden als seiner Tochter:

 

 

 

Let it be so; thy truth then be thy dower:

For, by the sacred radiance of the sun,

The mysteries of Hecate and the night,

By all the operation of the orbs

From whom we do exist and cease to be,

Here I disclaim all my paternal care,

Propinquity and property of blood,

And as a stranger to my heart and me

Hold thee from this for ever. The barbarous Scythian,

Or he that makes his generation messes

To gorge his appetite, shall to my bosom

Be as well neighbour’d, pitied, and reliev’d,

As thou my sometime daughter.

So, – so, – meine Augen, – Stimme. –

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Du – Dein Blut ist nicht das meine.

 

 

 

 

Du bist mir fremder als der Wilde,

der sich am Fleisch der eigenen Kinder mästet. (S. 10)

Ah, – ah, – how my eyes burn – my senses.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

My child is mine no longer.

 

 

 

 

 

You are as strange now as the savage,

Who gorges his appetite on his own children. (S. 113)

 

Die erste Zeile, in der sich Lears (seelischer und physischer) Schmerz ausdrückt, hat Henneberg hinzugefügt. Clayton deutet „meine Augen“ naheliegenderweise und prosodisch korrekt als "how my eyes burn"; das zweisilbige "Stimme" wird zu dreisilbigem "my senses". "Dein Blut ist nicht das meine" wird etwas frei, aber durchaus angemessen als "My child is mine no longer" wiedergegeben. Im folgenden Satz übergeht Henneberg die Skythen, von deren (bei Shakespeares Zeitgenossen sprichwörtlicher) Grausamkeit das heutige Publikum nichts mehr weiß, und vereinfacht das originale "he that makes his generation messes / To gorge his appetite"15 zu "(der Wilde), der sich am Fleisch der eigenen Kinder mästet". Mit "(who) gorge(s) his appetite" führt Clayton ein zusäzliches Shakespeare-Zitat ein; der quasimythischen Grausamkeit der ‚Wilden’ scheint die gehoben-pathetische Wendung durchaus angemessen, der Preis dafür ist allerdings eine sinnwidrige Betonung ("who górges his áppetìte on hís own chíldren"). – Unmittelbar danach wird Kent, der Partei für Cordelia ergreift, von Lear gewarnt: "The bow is bent and drawn; make from he shaft" (I 1, V. 143); bei Henneberg wird daraus "Der Bogen ist gespannt. / Gehe dem Pfeil aus dem Weg. (S. 10)" Für den ersten Halbvers konnte Clayton Shakespeares "The bow is bent and drawn" unverändert übernehmen; sein zweiter Vers ahmt Hennebergs daktylischen Rhythmus nach, allerdings mit Auftakt und weiblicher statt männlicher Kadenz: "Stand nót in the páth of the árrow!" (S. 114) – Clayton hatte zweifellos seine Gründe, nicht wie Shakespeare "make (oder: stand) from the path…" zu schreiben und so den Auftakt zu vermeiden.

 

Gelegentlich reduziert Henneberg ein komplexes Satzgefüge Shakespeares auf einige suggestive Schlüsselwörter, die er mehr oder weniger wörtlich übersetzt, so daß die englische Rückübersetzung nur die Originalformulierungen zu restituieren braucht. Ein Beispiel bietet der Schluß von Edgars Monolog (II 3, V. 13-21): Gloucesters geächteter Sohn erinnert sich an die Wahnsinnigen, die ihren Lebensunterhalt zu erbetteln pflegen:

 

The country gives me proof and precedent

Of Bedlam beggars, who, with roaring voices,

Strike in their numb’d and mortified bare arms

Pins, wooden pricks, nails, sprigs of rosemary;

 

And with this horrible object, from low farms,

Poor pelting villages, sheepcotses, and mills,

Sometime with lunatic bans, sometime with prayers,

Enfonce their charity. Poor Turlygod! poor Tom!

 

 

 

 

Schreiend treiben sich Wahnsinnige

Späne, Nadeln, Dornen in die abgestorbenen Arme…

 

 

 

 

 

Mondsüchtiger Fluch, – krankes Gebet –

ich bin der arme Tom… als Edgar nichts.

 

 

 

 

Madmen strike their bare arms in anguish,

Driving sprigs of rosemary in mortified and numbed flesh.

 

 

 

 

Lunatic bans, frenzied prayers,

My name is now poor Tom… Edgar no more.

 

Shakespeares Edgar erkennt, daß ihm kein anderer Ausweg bleibt, als sich wahnsinnig zu stellen, d.h. er analysiert seine Lage rational und handelt planvoll, während der Edgar der Oper von Ängsten und Obsessionen beherrscht scheint. Clayton folgt Henneberg, der die "Bedlam beggars" zu "Wahnsinnigen" macht; durch die Verletzungen, die sie sich selbst beibringen, wollen sie nicht länger Mitleid erregen und Mildtätigkeit provozieren, man könnte eher an eine Form der Selbstbestrafung denken (aber wofür?). Die Shakespeare-Reminiszenzen in der Rückübersetzung sind überwiegend schon bei Henneberg angelegt, Clayton übernimmt nur numbed (‚betäubt’) zusätzlich zu mortified (‚abgetötet’) und ersetzt die "Späne, Nadeln, Dornen" durch die suggestiveren "sprigs of rosemary".

Gelegentlich übernimmt Henneberg eine längere Dialog-Passage des englischen Dramas wörtlich, so daß Clayton Shakespeares Originaltext nur an die Prosodie der deutschen Übersetzung anzupassen braucht; so z.B. bei der ersten Begegnung zwischen Lear und Edgar in der Maske des "poor Tom" (III 4, Z. 39ff.):

 

Fool. Come not in here, Nuncle; here’s a spirit. Help me! help me!

Kent. Give me thy hand. Who’s there?

Fool. A spirit, a spirit: he says his name’s poor Tom.

Kent. What art thou that dost grumble there i’ th’ straw? Come forth.

Edgar. Away! the foul fiend follows me. Through the sharp hawthorn blow the winds.

Humh! Go to thy bed and warm thee.

Lear. Didst thou give all to thy daughters? And art thou come to this?

 

Edgar. Who gives any thing to poor Tom?

Whom the foul fiend hath led through fire and through flame,

through ford and whirlpool, o’er bog and quagmire; that hath laid knives under his pillow, and halters in his pew; set ratsbane by his porridge; made him proud of heart, to ride on a bay trotting-horse over four-inch’d bridges, to course his own shadow for a traitor […]

Nicht hier hinein! Hier ist ein Gespenst!

 

Gib mir die Hand.

 

Ein Geist! Ein Geist!

 

 

 

 

 

Durch den scharfen Hagedorn bläst der Wind.

 

Geh ins kalte Bett und wärme dich.

Gabst du deinen Töchtern alles?

Kamst du deshalb so herunter?

Wer gibt dem armen Tom was?

Böse Feinde, durch Feuer und Flammen,

 

durch Fluten, Strudel, Sumpf und Flur. –

 

 

 

 

 

 

Ich jagte meinem eigenen Schatten wie einem Verräter nach.

(S. 25)

Not in here! Here’s a spirit!

 

 

Give me your hand.

 

A spirit! A spirit!

 

 

 

 

 

Through the sharp, stiff hawthorn bush blows the wind.

Go to your cold bed and warm yourself.

Did you give your daughters all?

Is that what made you fall so low?

Who gives aught to poor Tom?

Whom the foul fiend led through fire and through flame,

Through river, whirlpool, bog and quagmire.

 

 

 

And made him proud of heart

 

to course

His shadow like a traitor.

(S. 137f.)

 

Clayton übernimmt das im Libretto zusätzlich eingeführte Paradox "Geh ins kalte Bett und wärme dich". Andererseits bewahrt er in der folgenden Replik Shakespeares Relativsatz und kennzeichnet damit den Angriff des "foul fiend" als vorzeitig, während die "bösen Feinde" im deutschen Libretto auch eine Wahnvorstellung sein könnten, die ‚Tom’ eben jetzt plagt. Den zehn Silben von Shakespeares "to course his own shadow for a traitor" entsprechen bei Henneberg siebzehn Silben; Clayton füllt die Lücke, indem er im deutschen Libretto ausgelassenes "made him proud of heart" einfügt16.

Clayton scheint um so eher geneigt (oder genötigt), frei zu übersetzen, je weiter sich Henneberg von Shakespeare entfernt. Den Streit zwischen Goneril und ihrem Mann (IV 2, V. 29ff.) hat Hennenberg (kürzer) neu gefaßt; sein Albany hat Gonerils Interesse an Edmund bemerkt, während bei Shakespeare offenbleibt, ob der Herzog die Absichten seiner Frau durchschaut. Die lange Rede, in der Albany ihr vorwirft, gemeinsam mit Regan Lear in den Wahnsinn getrieben zu haben (V. 38-50), ist weggefallen. Clayton greift auch da, wo Henneberg unabhängig von Shakespeare formuliert, auf den englischen Lear zurück, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet:

 

Goneril. I have been worth the whistle.

Albany.               O Goneril!

You are not worth the dust which the rude wind

Blows in your face. I fear your disposition;

 

 

 

 

 

That nature, which contemns it origin,

 

Cannot be border’d certain in itself;

 

She that herself will sliver and disbranch

From her material sap, perforce must wither

And come tu deadly use.

Goneril. No more; the text is foolish.

[…]

                  Milk-liver’d man!

That bear’st a cheek for blows, a head for wrongs;

Who hast not in thy brows an eye discerning

Thine honour from thy suffering; that not know’st

Fools do those villains pity who are punish’d

Ere they have done their mischief. Where’s thy drum;

France spreads his banners in our noiseless land,

With plumed helm thy state begins to threat,

Whil’st thou, a moral fool, sits still, and cries

“Alack! Why does he so?”

 

Albany. See thyself, devil!

Proper deformity shows not in the fiend

So horrid as in woman. […]

 

 

O Goneril, wie fürchte ich

 

 

 

 

die Folgen unseres Handelns, –

und du gehst weiter noch.

Ich sah deinen Blick auf Edmund.

Hüte dich! Denn ein Geschöpf,

das seine Herkunft verachtet,

kann sich nicht erhalten

 

in den Grenzen der Natur.

 

 

 

 

 

Schweig still und schwätze nicht.

 

Du Feigling, dessen Kopf

für Schläge und Beschimpfungen gemacht ist!

 

 

 

 

 

 

Wo ist dein Mut, um Frankreich,

unseren Feind zu schlagen?

 

 

 

Dein Mörder naht, und du sitzt still

und fragst: Warum tut er das?

 

Sieh dich an, Teufel:

Nichts ist so grauenvoll

wie die Entartung einer Frau!

(S. 32f.)

 

 

 

O Goneril, I fear our actions

 

 

 

 

Will not remain unpunished.

 

Yet you go further still.

I saw how you looked at Edmund.

Take good care! For to deny

Your own true origins

 

Is to risk destruction:

 

 

Broken branches must need die.

 

 

 

No more! Your text is false.

 

 

You coward, with cheeks

For slapping, and a head intended for blows!

 

 

 

 

 

 

You are too weak to stand up

 

And to fight the enemy!

 

 

 

While France draws near you just sit still

And cry: “Why does he so?”

See yourself, devil:

Proper deformity

 

Is at its worst in a woman.    

(S. 151.)

 

Während Hennebergs Albany die "Folgen" ihrer Taten fürchtet, spricht er im englischen Libretto konkreter von Strafe ("not… unpunished"). Statt wie bei Shakespeare und Henneberg die eigene Herkunft zu ‚verachten’, ‚verleugnet’ sie Claytons Frevler (weil deny angenehmer zu singen ist als contemn?). Das von Henneberg eher abstrakt bezeichnete Ende des Entwurzelten („kann sich nicht erhalten / in den Grenzen der Natur“) veranschaulicht Clayton im Bild der gebrochenen Äste, indem er Shakespeares metaphorisches disbranch (‚sich abzweigen’) aufnimmt. Während Henneberg Shakespeares "No more; the text is foolish" sinngemäß wiedergibt, kehrt Clayton zum originalen englischen Wortlaut zurück. Interessant ist der Anfang von Albanys folgender Replik: Henneberg gibt Shakespeares Aussage, ‚Verdorbenheit von Grund auf’ („proper deformity“) sei bei einer Frau schlimmer als beim Teufel selbst, sinngemäß wieder: "Nichts ist so grauenvoll / wie die Entartung einer Frau". Clayton bewahrt signalhaft Anfang und Ende von Albanys Formulierung: "Proper deformity – in (a) woman". Für das Prädikat bleiben dazwischen gerade noch vier Silben, der Übersetzer entscheidet sich für "Is at its worst", ‚erreicht seinen Tiefpunkt’, was ein bißchen farblos wirkt und außerdem holprig klingt17. Sprachliche Nähe zu Shakespeare scheint für den Übersetzer Vorrang vor (fast) allen anderen möglichen Qualitäten seines Textes zu haben.

Insofern verwundert es nicht, daß Clayton das große Ensemble am Ende des ersten Bildes18, das Henneberg im wesentlichen neu gedichtet hat, relativ frei übersetzt; wörtliche Übereinstimmungen mit Shakespeare finden sich (bei Clayton wie bei Henneberg) vor allem in der Replik des französischen Königs19.

 

Regan, Goneril. Die entartete Schwester,

die entartete Schwester,

die von der Tochterliebe nichts weiß,

verdiente wohl zu fühlen,

was ihr selber fehlt.

France. Cordelia, reich, weil du arm,

erwählt, weil du verlassen.

Die Verachtung anderer

weckte meine Liebe.

Lear. Ich habe solche Tochter nicht.

Geht ohne Segen, ohne Liebe, ohne Gnade.

 

Gloster. Wie dauert mich der arme Vater,

der so sein jüngstes Glück verliert.

Hielt er sie nicht wie eine Königin?

Edgar. Welch’ böser Zwist ward hier gesät;

es steht der Vater gegen seine Jüngste,

 

die Schwester gegen Schwester.

Sie irren alle. Wo liegt Wahrheit?

Edmund. So träumen Väter, die das Alter

stark verwirrte, die mit Liebe

Böses säen und viel Haß.

Cordelia. Vater, Schwestern, lebt wohl.

Die Zeit wird das enthüllen,

was noch durch List verborgen liegt.

Wer Fehler entdeckt,

wird am Ende verlacht. (S. 11f.)

Our unnatural sister,

Our unnatural sister

Being too proud to give in or love,

Neglected filial duty

And reaps her just reward.

Cordelia, rich, being poor,20

Most choice, because forsaken!

The neglect of others

Has inflamed my liking.

Cordelia is no longer ours.

Go as a stranger, taking no love and no blessing.

How sad it is that this poor father

Should lose his fav’rite daughter thus.

Did he not love and treat her like a queen?

What evil seed has now been sown!

The father’s turned against his best loved daughter,

The sisters are turned rivals.

They’re all deluded. Does truth exist?

Thus fathers blunder when confused by age

And dotage, and, though loving,

Spread disaster and ill will.

Father, sisters, farewell21.

What words have so far hidden

Will be revealed as time rolls past.

Who uncovers faults

Is at odds with the world. (S. 115f.)

 

Nur im englischen, nicht im deutschen Libretto erscheint Cordelia ihren Schwestern zu stolz, um (ihrem Vater) nachzugeben. Claytons Gloster und Edgar bezeichnen Cordelia als Lears Lieblingstochter, bei Henneberg ist sie nur "seine Jüngste". Der deutsche Edgar fragt: "Wo liegt Wahrheit?", der englische zweifelt viel radikaler (und in jambischem statt trochäischem Rhythmus): "Does truth exist?" Wer Fehler öffentlich macht, wird laut Claytons Cordelia nicht ausgelacht, sondern liegt mit der ganzen Welt im Streit22, und anderes mehr. Auch wenn der Sinn der sieben Repliken im großen Ganzen gleich bleibt, sind die Abweichungen auffällig.

Einen Sonderfall bilden die Sinnsprüche des Narren, die sich meist schon durch die Verwendung des Reims von ihrer Umgebung abheben. Als Sprechrolle ist der Narr klar von allen anderen Figuren unterschieden. Er begleitet Lear während des ganzen ersten Teils23 (bei Shakespeare tritt er erst nach Lears Abdankung, in der vierten Szene des ersten Akts, auf), aber die Verse, mit denen er das Geschehen kommentiert, scheinen weniger an den König als an die Zuschauer gerichtet24. Die meisten hat Henneberg von Shakespeare übernommen, einige hat er umgestellt und dadurch ihren Sinn verändert.

Die erste Bemerkung des Narren wirkt vor allem durch ihre Stellung im Kontext des ersten Bildes – der gesprochene Text ist in das abschließende Ensemble eingeschoben – als Kommentar zur Abdankung:

 

Wer nicht lächeln kann, wie der Wind weht,

der wird bald Schnupfen bekommen.

Der König hat zwei Töchter verbannt,

Um wider Willen die dritte zu segnen.

Der arme, alte Mann. (S. 12)

Nay, and thou canst not smile as the wind sits, thou’lt catch cold shortly […]

Why, this fellow has banish’d two on’s daughters, and did the third a blessing against his will […] (I 4, Z. 105-109)

 

Bei Shakespeare sind diese Sätze in reimloser Prosa an den verkleideten Kent gerichtet; der Narr erklärt ihm, warum es nicht ratsam ist, in Lears Dienste zu treten. Clayton kann hier Shakespeares Text mit geringfügigen Veränderungen übernehmen25; er behält sogar "this fellow" für "der König" bei, obwohl es im neuen Kontext wenig passend wirkt.

Nachdem Lear, Cordelia, France und Gloster abgegangen sind, leitet ein von Henneberg hinzugefügter Vierzeiler des Narren zum kurzen Dialog der beiden Schwestern über:

 

So, glaubt der König, schafft man Glück

durch dumme Gleichnerei.

Er stößt sein jüngstes Kind zurück

und wird noch arm dabei. (S. 13)

 

Claytons Übersetzung folgt hier dem bewährten Prinzip "Reim dich, oder ich freß dich":

 

The king believes that equal shares

Will make for happiness.

He kicks his youngest down the stairs

And of happiness has less. (S. 117)

 

Gleich darauf leitet ein weiterer Vierzeiler vorausdeutend zu Edmunds Intrige über:

 

Und Gloster? Des Königs Spiegelbild.

Er läßt sich leicht betrügen.

Ihn machte das Alter dumm und mild.

Edmund wird ihn belügen. (S. 13)

 

Diesmal verzichtet Clayton auf den Reim, wodurch der Kommentar-Charakter der Replik verdunkelt wird:

 

And Gloucester? The king’s reflection?

He’s easy to betray.

Old age has made him foolish and soft.

Edmund will deceive him! (S. 118)

 

Für alle späteren Interventionen des Narren kann die englische Übersetzung Shakespeares Text übernehmen. Obwohl der Narr nicht singt, sondern spricht, ist Clayton offensichtlich bemüht, Rhythmus und Silbenzahl seiner deutschen Repliken möglichst beizubehalten. – Regans und Gonerils Kritik an Lears Gefolge kommentiert der Narr (I 4, V. 224-226):

 

The hedge-sparrow fed the cuckoo so long,

That it’s had it head bit off by it young.

So out went the candle, and we were left darkling.

Grasmücke so lange den Kuckuck speist,

bis ihr sein Junges des Kopf abreißt.

Da ging das Licht aus und wir saßen im Dunkeln.

                               (S. 19)

The hedge-sparrow did feed the cuckoo so long,

That it hat its head bit off by its young.

So out went the candle and we were left in darkness.

(S. 130) 26                                                                               

 

Während des Sturms auf der Heide zitiert der Narr – in abgewandelter Form – das Schlußlied des Narren Feste aus Was ihr wollt27:

He that has and a little tiny wit,

       With hey, ho, the wind and the rain,

Must make content with his fortunes fit,

      Though the rain it raineth every day. (III 2, 74-76)

 

Henneberg, der die in diesem Zusammenhang äußerst unpassende Assoziation an den Refrain von Falstaffs Trinklied ("Als Büblein klein an der Mutterbrust") aus Nicolais Lustigen Weibern von Windsor, "Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag", vermeiden mußte, formt die Stelle um:

Wer nur ein wenig Verstand behält,

macht der aus Regen und Wind sich was?

Der nimmt fürlieb, wie’s kommt, wie’s fällt, –

Wind macht trocken, Regen nass. (S. 26)

 

Clayton, der natürlich Hennebergs Text übersetzen mußte, behält dennoch zwei Verse Shakespeares (V. 1 und 3, im englischen Libretto V. 1 / 2 mit Paarreim statt Kreuzreim) nahezu unverändert bei:

O, he that has but a little wit

Must make content with his fortune fit.

He takes whatever he can get,

Wind dries ev’rything, rain makes wet. (S. 139)

 

Bei Shakespeare schließt hier fast unmittelbar eine ‘Prophezeiung’ des Narren an (III 2, V. 81-92):

When priests are more in word than matter;

When brewers mar their malt with water;

When nobles are their tailors’ tutors;

No heretics burn’d, but wenches’ suitors;

When every case in law is right;

No squire in debt, nor no poor knight; 

When slanders do not live in tongues;

Nor cut-purses come not to throngs;

When usurers tell their gold i’ th’ field;

And bawds and whores do churches build;

Then shall the realm of Albion

Come to great confusion […]

Der Katalog "enthält in seinem ersten Teil (Z. 81-83) eine Beschreibung der schon bestehenden wirklichen Zustände, die eine allgemeine Korruption anzeigen. Z. 84-90 dagegen schildern ideale utopische Verhältnisse"28. Aus den sieben ‚utopischen’ Versen hat Henneberg vier29 ausgewählt:

Wenn Richter ohne Furcht und Tadel,

wenn ohne Schulden Hof und Adel,

wenn Zungen das Lästern nicht mehr lohnt,

der Gauner des Nächsten Börse schont,

dann wird dem Reiche von Albion

gewaltige Verwirrung droh’n.  (S. 24)

Clayton dagegen (S. 136) übernimmt30 zuerst (unverändert) die ersten beiden Verse Shakespeares, die Mißstände schildern, dann das erste von Henneberg übersetzte (‚utopische’) Verspaar, auf das er gleich die letzten beiden Verse (den Hauptsatz) folgen läßt. Der einzig mögliche Grund für die Änderung dürfte sein, daß das Incipit der Prophezeiung fester im Gedächtnis des englischen Publikums haftet als die folgenden Verse und daher einen deutlicheren Hinweis auf Shakespeare liefert.

Desmond Claytons einfühlsame Übersetzung gibt den Inhalt von Claus Hennebergs Lear-Libretto genau und weitgehend vollständig wieder. Darüber hinaus hat der Übersetzer mit einigem Erfolg versucht, die Sprachform des englischen Librettos der Dramenvorlage anzunähern; wem Shakespeares Lear einigermaßen gegenwärtig ist, der wird z.B. in Lears Sturm-Monolog zahlreiche Wendungen des elisabethanischen Dichters wiedererkennen. Einem mit Shakespeare vertrauten Zuschauer wird freilich auch nicht entgehen, daß der Handlungsverlauf verändert31, der Text um mindestens zwei Drittel gekürzt und analog zum deutschen Libretto entrhetorisiert ist. Die Shakespeare-Zitate wirken als punktuelle Signale, die Identität des Einzelwortes oder -satzes suggerieren, ohne die radikale Verschiedenheit der dramaturgischen wie sprachlichen Makrostruktur in Tragödie und Libretto zu verbergen. Insofern ist Claytons englischer Lear vielleicht ein Beispiel postmoderner Literatur32; und er bestätigt einmal mehr, daß die Selbständigkeit der Teile33 ein hervorstechendes Merkmal des Opernlibrettos ist.

Finis.

 

 



  1. Gedanken zur Beziehung zwischen Literatur und Libretto  am Beispiel von Aribert Reimanns Lear, in: Oper und Operntext, hg. von Jens Malte Fischer, Heidelberg 1985, 261-269, hier 262.
  2. Vgl. ebd.
  3. Ebd.
  4. König Lear, in: Shakespeare, Schauspiele, übers. von Johann Joachim Eschenburg, Bd 14, Straßburg – Mannheim 1779; Eschenburgs Shakespeare-Übers. erschien erneut 1788-1806, seitdem wurde der Lear offenbar nicht neu gedruckt, vgl. Hansjürgen Blinn / Wolf Gerhard Schmidt, Shakespeare – deutsch. Bibliographie der Übersetzungen und Bearbeitungen, Berlin 2003.
  5. (wie Anm. 1), 266.
  6. In der hier benutzten Ausg. (W. Shakespeare, King Lear / König Lear. Engl./Deutsch, hg. von Raimund Borgmeier und Barbara Puschmann-Nalenz [RUB, 9444], Stuttgart 2005; im folgenden zitiert nach Akt [röm. Ziffer], Szene [ar.Ziffer] und V[ers]) umfaßt der englische Text knapp 3.300 Blankverse bzw.Prosa-Zeilen; in Hennebergs Libretto (A. Reimann, Lear. Oper in zwei Teilen nach William Shakespeare eingerichtet von C.H. Henneberg (1976/78). Textbuch, Mainz 1978; im folgenden zitiert nach S[eite]) zähle ich ca. 1100, z.T. wesentlich kürzere Zeilen. Das paßt zu Busonis Auffassung, „daß der in Musik gesetzte Text etwa dreimal soviel Zeitdauer ausfülle, als der gesprochene. Also müßte ein Operntext um zwei Drittel kürzer gefaßt sein, als der Text eines Schauspiels“ (vgl. Ferruccio Busoni, Wesen und Einheit der Musik, hg. von J. Herrmann, Berlin-Halensee – Wunsiedel 1956, 26; dazu Albert Gier, Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, Darmstadt 1998, 6).
  7. (wie Anm. 1), 268.
  8. Vgl. ebd., 266: “Die Sprache mußte ich verknappen – mußte ihr, ohne Übertreibung gesagt, das Dichterische nehmen”; mit dem ‘Dichterischen’ dürfte vor allem die Rhetorik gmeint ein.
  9. Ebd., 265.
  10. Getilgt sind konzeptistische Sprachbilder: So fehlen die ertränkten Wetterhähne (V. 3) und die „schwefligen und gedankenwirkenden Feuer, Vorreiter eichenspaltender Donnerkeile“ (V. 4/5, Übers. wie Anm. 6).
  11. So die Anm. der zweisprachigen Ausgabe (wie Anm. 6), 245.
  12. (wie Anm. 1), 268.
  13. Die Übersetzung (Lear. Opera in two parts from the tragedy King Lear by William Shakespeare. English Version by Desmond Clayton) wird hier zitiert nach dem Abdruck in: Programmbuch Teatro Regio Torino. Aribert Reimann, Lear. Spielzeit 2001/02, 108-169  (engl./it.; im folgenden zitiert nach S[eite]); sie findet sich auch im Beiheft des Mitschnitts der Münchner Uraufführung (2 CD Deutsche Grammophon 463 480-2). – Wörtliche Übereinstimmungen sind durch Fettdruck, sinngemäße durch Fettdruck kursiv hervorgehoben.  Szenische Anweisungen sind hier und in allen folgenden Zitaten ausgelassen.
  14. Auch Shakespeares „You owe me no subscription“ (V. 18) wird durch das angehängte „either” auf neun Silben wie in Hennebergs „Ihr seid mir nicht Gehorsam schuldig“ erweitert..
  15. "er, der seine Nachkommenschaft zu Speisen macht, um seine Gier zu sättigen", (wie Anm. 6), 21.
  16. Der Rhythmus der beiden englischen Zeilen weicht allerdings deutlich von Hennebergs Vorlage ab: „Ich jágte méinem éigenen Schátten [weibl. Kadenz] / wie éinem Verräter nách [daktylisch; männl. Kadenz]“ – „And máde him proud of héart and to course [männl. Kadenz] / His shádow líke a tráitor [trochäisch; weibl. Kadenz].
  17. Holprig klingt es auch deshalb, weil die beiden Hauptakzente in Henneberg Vers (männl. Kadenz) auf der vierten und achten, bei Clayton (weibl. Kadenz) dagegen auf der vierten und siebten Silbe liegen („Wiè die Entártung èiner Fráu“ – „Ìs at its wórst in a wóman“).
  18. Vgl. dazu Henneberg (wie Anm. 1), 267.
  19. Außerdem verweisen Lexeme wie das von Edmund verwendete dotage auf den Wortschatz von Shakespeares Lear, vgl. I 4, V. 336 u.ö.
  20. Vgl. I 1, V. 250-255: Fairest Cordelia, that art most rich, being poor; Most choice, forsaken; and most lov’d, despis’d! Thee and thy virtues here I seize upon: Be it lawful I take up what’s cast away. Gods, gods! ’tis strange that from their cold’st neglect My love should kindle to inflam’d respect.
  21. Vgl. Cordelias Abschied von ihren Schwestern, I 1, V. 275: „So farewell to you both.“
  22. Hier nimmt Clayton einen im deutschen Libretto angelegten Shakespeare-Bezug nicht auf, vgl. Cordelias letzte Worte an ihre Schwestern (I 1, V. 280f.): „Time shall unfold what plighted cunning hides; / Who covers faults, at last with shame derides.” (“Die Zeit wird entfalten, was gefältelte List verbirgt, sie verdeckt Fehler, verlacht zuletzt mit Schande!”, (wie Anm. 6), 31).
  23. Der Narr erscheint als Kontrastfigur zum aktiv handelnden Lear; nachdem sich der Geist des Königs verwirrt hat, verläßt er ihn (vgl. die Szenenanweisung am Ende des Ersten Teils, S. 28: „Lear, Kent, Edgar, Gloster und sein Gefolge treten ab. Der Narr ist stehen geblieben und blickt fragend in die eine oder andere Richtung. Dann geht er in entgegengesetzter Richtung als [sic] die übrigen ab.“).
  24. Als „spielinterne Figur“ tritt der Narr „in deutliche Distanz zur Situation“, die er „sozusagen ‚von außen’ kommentiert“, vgl. dazu Manfred Pfister, Das Drama. Theorie und Analyse, München 81994, 112-121, speziell 118.
  25. Vgl. S. 116: „If you cannot smile as the wind sits, / You’ll catch cold shortly. / This fellow has banished two daughters / and blessed the third against his own will. / The foolish, poor old man.”
  26. Vgl. ähnlich Shakespeare II 4, V. 48-51: „Fathers that wear rags / Do make their children blind, / But fathers that bear bags / Shall see their children kind.“ – Henneberg, S. 20: “Väter, die in Lumpen geh’n […] / machen ihre Kinder blind, […] / die zu gerne Väter seh’n […] / die mit Gold beladen sind.” – Clayton, S. 131f.: “Fathers that do go in rags […] / Tend to make their children blind. […] / But such fathers as bear bags […] / They shall see their children kind.”
  27. William Shakespeare, Twelfth Night, or What You Will, hg. von Roger Warren und Stanley Wells, Oxford – New York 1995,  220: “When that I was and a little tiny boy, / With hey, ho, the wind and the rain, / A foolish thing was but a toy, For the rain it raineth every day.”
  28. (wie Anm. 6), 245.
  29. Sie sind im obigen Zitat kursiv gesetzt.
  30. Die von Clayton verwendeten Verse sind im Shakespeare-Zitat fett gedruckt.
  31. Z.B. sind Lears Auseinandersetzungen mit Goneril (King Lear  I 4) und Regan (II 4) zu einer Szene (Lear-Libretto I. Teil, 2) zusammengezogen.
  32. Vgl. Marco Ravasini, Un libretto inglese per un Lear tedesco. Riscrittura postmoderna di un capolavoro letterario, in: Programmbuch Torino (wie Anm. 13), 105-107.
  33. Vgl. dazu Gier (wie Anm. 6), 6-11.