Alles zum Thema:
2/2014 Shakespeare im zeitgenössischen Musiktheater
Melodiefindungsprozesse im automatic playing
STATEMENT
Mia Zabelka
Komponistin, E-Violinistin und Vokalistin. Sie lebt in der Südsteiermark.
Gegenwärtig steht Klangkünstlern ein unendliches Spektrum an Klangmaterialien zur Verfügung. Die neuen Technologien ermöglichen den Zugriff auf digital gespeicherte Klangarchive und erleichtern die Bearbeitung von Sounds.
Materialfindungsprozesse sind, insofern als alles, was klingt, den Komponisten zur Verfügung steht, in gewisser Weise abgeschlossen.
Die Zeiten, als Komponisten elektroakustischer Musik stundenlang an Tonbändern manuell gearbeitet haben, sind vorbei. Damals haben wir oft tagelang an der Erzeugung eines einzelnen Klanges gearbeitet. Siehe auch meine LP "SOMATEME-Körperklänge" (1997, edition RZ, in Kooperation mit Giselher Smekal). Ich habe den Eindruck, dass das haptische Arbeiten an Klängen die Qualität der damaligen Musikproduktion maßgeblich geprägt hat.
Die Technologisierung der Klänge und Effekte macht alles per Knopfdruck greifbar, ebnet aber gleichzeitig zu einem gewissen Grad den Arbeitsprozess und das Musikschaffen.
Mein Instrument, die elektrische Violine, die ich mit ausgesuchten Effekten und Spieltechniken erweitere, ist die Basis meiner individuellen Klangsprache (siehe meine aktuelle Produktion „M“ 2011, monotype records). Da die Violine bekanntlich im ursprünglichen Sinn ein Melodieinstrument ist, ist das Thema Tonalität dem Instrument inhärent. Meine "Melodiefindungsprozesse" stammen aus meiner Spieltechnik des "automatic playing". Sie ermöglichen mir vollkommen neue Zugänge zum kompositorischen Arbeiten, wobei ich unter "Melodien" eher Linien in Raum und Zeit verstehe, als ausschließlich herkömmliches tonales Material im Dur- und Mollsystem. Wesentlich für meine Arbeit bleibt, dass ich niemals meine Radikalität durch Tonalitätsansprüche irritieren lasse.
Ich bemerke, dass melodische Strukturen die Kommunikation mit den Zuhörern erleichtert bzw. eine Brücke schlagen lässt zwischen dem Publikum und meinem individuellen musikalischen Ausdruck. Ich schäle aus komplexen Klangmaterialien mit dem körperlichen Gestus meines Violinspiels tonalen Linien heraus.