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2/2014 Shakespeare im zeitgenössischen Musiktheater
Kids-Kompo
Kinder komponieren Experimentelle Musik an Berliner Grundschule
BEST PRACTICE
Sarah Krispin
Studien der Judaistik und Gesangspädagogik. Lebt als Sängerin und Musikvermittlerin in Berlin.
Der Komponist David Graham, gebürtiger Engländer und Schüler von Hans Werner Henze, entwickelte 2005, zusammen mit der Komponistin Elena Mendoza, nach einer Idee von Dr. Martella Gutiérrez-Denhoff (Beethoven-Haus Bonn) Kids-Kompo, ein methodisches Konzept für Kompositionskurse mit Kindern an Bonner Grundschulen. Von September bis November 2011 führte er es gemeinsam mit Studenten der Universität der Künste Berlin (Michael Krois und Sarah Krispin) und in Zusammenarbeit mit der Agentur K&K Kulturmanagement und Kommunikation, an der Kurt-Tucholsky Grundschule in Berlin-Moabit durch. Neun Schulklassen, von der 1. bis zur 5. Klasse, Kinder im Alter von 5 – 12 Jahren also, experimentierten, musizierten – komponierten.
Der zeitliche Ablauf gliederte sich pro Klasse in fünf Tage: Hören (Tag 1), Experimentieren (Tag 2), Erfinden (Tag 3), Erfinden (Tag 4), Konzert (Tag 5). Die Schüler hörten zunächst Samplerklänge (den BBC sound archieves entnommen), beschrieben sie und rieten, worum es sich handeln könnte. Nacheinander wurden die Begriffe Impuls, Puls, Fläche, Vorder- und Hintergrund, Melodie und Mehrstimmigkeit eingeführt. Diese Musikbausteine stellten wichtige Grundlage für den späteren Kompositionsprozess dar.
Aus Sicht der Schüler soll es vor allem darum gehen, zu erleben, wie Musik gemacht wird. Musik aktiv begreifen, um selbst zum Schöpfer von musikalischen Ideen zu werden. Somit wird eine wichtige Basis gelegt, Kompositionsprozesse kennen zu lernen. Zu erfahren, wie ein Komponist arbeitet, um ihn, bzw. seine Werke wiederum besser verstehen zu können. Diese Idee des selbst Musik Erfindens steht der überwiegend praktizierten Unterrichtsgestaltung des reinen Rezipierens und Analysierens von (nach wie vor viel zu selten Neuer-) Musik im schulischen Unterricht entgegen. Hier sind die Kinder ganz und gar gefordert, vermischen sich kreative, individuelle Ideen mit demokratischen Entscheidungsprozessen innerhalb einer Klasse. Denn, die Kinder lernen nicht nur, ein Werk zu erfinden, sondern ebenso, in der kreativen Entscheidungsfindung Kompromisse zu schließen. Am Ende steht die gemeinsam erdachte Klassenkomposition im abschließenden Konzert.
Die Besonderheit besteht in einer pädagogisch-künstlerischen Herangehensweise, die sich vor allem durch Offenheit auszeichnet. Wichtig waren nicht absolut formulierte Vorgaben und Urteile seitens eines Lehrers, die Schüler aus dem Schulalltag gewohnt sind. Diese schaffen zwar die häufig benötigte Struktur, engen kreative Denkprozesse aber von vornherein stark ein. Wichtig war nicht, ob eine Idee, oder eine Komposition falsch, richtig, schlecht, gut, brauchbar oder unbrauchbar ist. Weit ab von solchen Kategorisierungen innerhalb der gängigen Definition über eine Leistung, war einmal nur zentral, dass jeder Schüler ausprobiert, so lang es geht, um dabei so weit zu gehen, wie es ihm oder ihr möglich ist. Die eigenen Möglichkeiten ergründen, viele Möglichkeiten nebeneinander stehen lassen, konventionelle Grenzen sprengen. Dabei darf alles zum Klingen gebracht, darf jede Idee der Form-, Dynamik- oder Melodiebildung verwendet werden. Hierbei quietscht und krackst, rummst und scheppert es und ja, besonders die ganz leisen Klänge lieben die Schüler konzentriert auszuspielen. Zähneklappern, flüstern, schreien, stampfen, schlürfen. Der eigene Körper, traditionelle Instrumente (wie Klavier, Geige, Orff-Instrumentarium), selbstgebaute Instrumente, oder Materialien wie Blechdosen, Steine, Zeitung, Holz, Kreppband u. a. kommen dabei zum Einsatz. "Der Weg ist das Ziel, nicht das Konzert (David Graham)." Die Aufführung der Komposition im Konzert ist aus Sicht der Kinder zwar die Krönung und unbedingter Motivationsfaktor, für das Lehr- und Komponistenteam steht jedoch der Prozess im Vordergrund. Vor allem, dass die Schüler auf dem Weg zu ihrer ersten Komposition vielerlei grundlegende und bedeutende Erfahrungen gesammelt haben, welche ihren musikalischen Horizont erweitert, und möglicherweise sogar weit in ihr Leben außerhalb der Schule hinein reichen können. Dann zum Beispiel, wenn es um die Wahrnehmung von Musik und Klängen draußen auf der Strasse, zu hause, im Radio, Internet oder Fernsehen geht. Oder gar um die Entwicklung einer grundsätzlichen Offenheit in Denkprozessen, auch außerhalb der Musik. Auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass mit einem Projekt wie diesem alle Sensoren der Kinder für immer aktiviert sind, so sind sie zumindest tief greifend sensibilisiert. Für die Wahrnehmung von Klängen, für Vorgänge im musikalischen Erfindungsprozess, vielleicht sogar für das Wahrnehmen von Neuer Musik im Allgemeinen.