Vermittlung Magazin

Den eigenen Weg finden

Modell zur Vermittlung Neuer Musik

BEST PRACTICE
Esther Planton

studiert Angewandte Musikwissenschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Seit 2010 vermittelt die junge Klagenfurterin mit ihrem Projekt neue Wege in der Musik.

Musikalische und körperliche Barrieren überwinden, fremde Klänge erforschen und unkonventionelle Wege in der Musik gehen. Das sind einige der Leitgedanken, die Esther Planton und Andrea Lexer in ihrem Projekt zur Vermittlung von Neuer Musik anstreben.

Es sind alle angesprochen, die bereit sind, sich auf eine neue Art des Musizierens einzulassen. In Workshops vermitteln Planton und Lexer mögliche Zugänge zur Neuen Musik, wecken die Lust am Improvisieren mit Stimme und Körper und erarbeiten Stücke von KomponistInnen des 20. und 21. Jahrhunderts.

 

Die Kunstmusik des 20. und 21. Jahrhunderts ist in vielen schulischen aber auch außerschulischen Bereichen noch nicht vollständig etabliert, stößt eher auf Ablehnung und wird als "schräg" und unangenehm bezeichnet. Die Beschäftigung mit Konzepten Neuer Musik, unkonventionellen Spielweisen auf Instrumenten oder auch "Nicht-Instrumenten" und das neue, seltsame Hörerlebnis kann einige Überwindung und Mühen kosten. Es kann aber auch große Freude bereiten. Mit spielerischen Übungen geben Lexer und Planton Interessierten die Möglichkeit, in die fremde Welt der Neuen, zeitgenössischen Musik einzutauchen. Sie helfen Ideen und Konzepte der KomponistInnen zu verstehen und Spaß daran zu finden.

 

Das Vermittlungskonzept besteht aus fünf Einheiten. Grundlagen sind die Ideen und Übungen des Gesums aus der Schulmusik von Dieter Schnebel und der Workshop von Laura Carmichael, einer Klarinettistin aus Texas.1 Während sich Schnebel auf die Improvisation von Stimme und Körper bezieht, gab Laura Carmichael den Anstoß für die Erstellung dieses Konzeptes.

 

Bewegungen

In der ersten Einheit werden die TeilnehmerInnen aufgefordert, sich im Raum zu bewegen und dabei in ihrer gerade befindlichen Gefühlswelt zu bleiben. Bestimmte Bewegungsabläufe werden von den Leiterinnen durch Zurufen in die Gruppe vorgegeben. Dadurch entstehen diverse Bewegungsvarianten, wie z.B.: schnell oder langsam gehen, stampfen, schleichen, hüpfen und ähnliches. Die Steigerung dieser Übung besteht aus der Verbindung von Emotionen und Bewegungen: die TeilnehmerInnen werden aufgefordert, sich müde, glücklich oder wütend durch den Raum zu bewegen. Bereits Kinder verbinden ganz natürlich das Gefühl mit der richtigen Bewegung: ein wütendes Kind geht schnell und energisch, ein trauriges Kind bewegt sich langsam und bückend. Scheinbar natürliche Abläufe werden durch diese Übung bewusst ausgeführt.

 

Bewegungen klingen

Mit dem Beginn der Einheit stellen die Leiterinnen die Frage: Kann eine Körperbewegung klingen? Es ist erstaunlich, dass sich in jedem der bis jetzt abgehaltenen Kinder-Workshops die Antwort in Form von direkten Reaktionen wiederholt, nämlich, dass sie in ihre Hände klatschen, mit den Füßen stampfen oder pfeifen. In dieser Übung geht es aber weiter darum, den Körperbewegungen einen Klang zu verleihen, der über die üblichen gewohnten Geräusche wie klatschen, stampfen oder pfeifen hinausgeht. Um den TeilnehmerInnen diese klanglichen Möglichkeiten begreiflich zu machen, stellen die Leiterinnen zwei Bewegungen mit Verwendung der Stimme vor: das Auf- und Abspringen wird mit einem auf- und abspringenden Ton symbolisiert, die pantomimische Darstellung eines Autofahrers wird mit dem Geräusch eines brummenden Motors mit flatternden Lippen verstärkt. Der Stimmapparat soll in all seinen Facetten und Möglichkeiten zum Einsatz kommen.

Im ersten Durchlauf dürfen die TeilnehmerInnen ihre Ideen ausprobieren. In der zweiten Runde sind sie aufgefordert, Paare zu bilden und die Bewegung und das Geräusch des Partners bzw. der Partnerin zu übernehmen und simultan auszuführen. Die Dauer des Findens bzw. der Zeitpunkt des Verlassens eines Partners bzw. einer Partnerin wird von den TeilnehmerInnen selbst bestimmt.

 

Wort und Emotion

Die dritte Einheit wird in kleinen Gruppen von zwei bis maximal drei Personen ausgeführt. Das gesprochene Wort, beispielsweise der Vorname des Partners bzw. der Partnerin, soll mit unterschiedlichen Emotionen ausgesprochen werden. Es können jedoch andere Worte, Textphrasen oder eine Phantasiesprache verwendet werden. Die Personen sollten innerhalb dieser Übung jedoch bei einem Wort oder einer Textphrase bleiben und dabei auf vielfältigste Art und Weise ihrer Phantasie freien Lauf lassen.

 

Notationen

Die folgende Einheit besteht aus Malen und Zeichnen von Notationsformen. Auch in dieser Übung sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Beispielsweise soll ein Wort in seinem Klang aufgezeichnet werden. Die Leiterinnen geben dafür zwei Beispiele vor: das Butterbrot mit Balken und Punkten und die Wolke mit vielen kleinen ineinander verwobenen Kreisen. Abschließend wird die neue Notation mit der Stimme präsentiert. Der Klang der Notation ist individuell und reicht von monotonem Sprechgesang über virtuose Tonfolgen bis hin zu unkonventionellen Klängen und Geräuschen. Der Sinn der Übung besteht darin, Lust am Improvisieren zu bekommen, stimmliche Möglichkeiten auszuprobieren und Zugang zu neuen Notationsformen zu erlangen. Es ist erstaunlich, wie mutig und stolz vor allem Kinder ihre Notationen auf kreativste Art präsentieren.

 

Stücke 

In der letzten Einheit werden Stücke erarbeitet, die je nach Alter der TeilnehmerInnen, Größe der Gruppe und jeweiligem Musikhintergrund ausgesucht werden. Das Stück Stones von Christian Wolff, kann mit TeilnehmerInnen jeden Alters erarbeitet werden.2 Nach Absprache mit den OrganisatorInnen, den Lehrpersonen oder den Eltern könnten die TeilnehmerInnen ihre selbst gesammelten Steine mitbringen.

 

Die Stücke aus der Sammlung Aus den sieben Tagen von Karlheinz Stockhausen vermitteln den intuitiven Umgang mit dem Klang des eigenen Instruments.3

 

Neue Musik kann helfen, sich von starren Strukturen zu lösen und die persönliche Kreativität zu aktivieren. Neue Wege auszuprobieren eröffnet neue Perspektiven, die über das musikalische Feld hinausreichen.

 

 



  1. Dieter Schnebel: Gesums, in: Schulmusik, Mainz 1974, S. 9–10.
  2. Christian Wolff: Stones, in: Prose Collection, o.O o.J., S. 9.
  3. Karlheinz Stockhausen: Aus den Sieben Tagen, Nr. 26, komponiert im Mai 1968.