Vermittlung Magazin

"Die einzige wahre Musikrichtung"

Bernhard Gander und der Metal

PORTRAIT
Axel Petri-Preis

studierte Musikerziehung, Germanistik und Musikwissenschaft in Wien. Musikerzieher, Autor von musikwiss. Texten und Einführungstexten. Programmheftdramaturgie Neue Oper Wien. Leiter der Musikvermittlung und redaktioneller Leiter von terz.

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"Woe to you, oh earth and sea, for the Devil sends the Beast with wrath, because he knows the time is short. Let him who hath understanding reckon the Number of the Beast, for it is a human number. Its number is sixhundred and sixty-six." Mit dieser Paraphrase zweier Stellen aus der Offenbarung des Johannes beginnt The Number of the Beast, ein Song der Heavy Metal Band Iron Maiden. Auch Bernhard Ganders Orchesterwerk lovely monster (2009) beginnt mit dieser Stelle. Bei ihm ist der Text allerdings auf sein rhythmisches Skelett reduziert und – verteilt auf vier Schlagwerker – auf Blechplatten übertragen.

 

 

Bernhard Gander ist seit seiner Kindheit leidenschaftlicher Fan von Metal Bands und gibt freimütig zu, dass ihn die Metal Szene durchaus mehr zu faszinieren vermag als die Neue Musik Szene. Zur Preisverleihung des Ernst Krenek Preises der Stadt Wien erschien er mit einem T-Shirt der Death Metal Band Cannibal Corpse, seine Unterarme zieren Tätowierungen von Totenköpfen und spätestens seit seiner Hommage an Motörhead mit dem Stück ö spielt der Metal in vielschichtiger Weise eine wesentliche Rolle für die Musik von Bernhard Gander.

 

 

Es ist niemals ein bloßes Übernehmen oder banales Übertragen, das Bernhard Gander interessiert, wenn er von Einflüssen aus dem Metal ausgeht. Vielmehr erklärt er seine Vorgehensweise als ein Suchen und Finden von Analogien und Überschneidungen, die er bewusst ausbaut. Ausgangspunkt ist stets die eigene Musiksprache, denn in Bernhard Ganders Musik geht es zwar schon Mal recht handgreiflich zu, verbiegen lässt sie sich jedoch nicht. Zur Perfektion getrieben hat er dies in seinem großangelegten Werk melting pot, dessen unterschiedliche musikalische Einflüsse nicht zu einem Crossover-Einheitsbrei verschmelzen, sondern im Gegenteil gerade aus der Bewahrung ihrer Eigenständigkeit in einem heterogenen Ganzen ihre Energie schöpfen. Schon in seinem frühen Stück Der Melonenbaum, in dessen Titel er auf ein Bild seines Freundes Georg Vinokic verweist, geht er von der Idee der verbindenden Kraft heterogener Elemente aus, die auch viel über die gesellschaftspolitische Sicht des Wahlfavoritners verrät.

 

Zurück zu lovely monster. Zwei weitere Male lässt Gander in seinem ersten Orchesterwerk das Schlagwerk noch sprechen. Während die zweite Stelle sich wiederum auf den Beginn eines Iron Maiden Songs bezieht (The Prisoner), ist die dritte Stelle absolute Musik. Diese "Sprechstellen" stehen jeweils am Beginn eines neuen Formteils und funktionieren auch rein musikalisch, mit dem Bezug auf die Metal-Songs und die damit einhergehende Semantisierung fügt Gander ihnen jedoch eine weitere Ebene hinzu, geht es in diesem Werk doch – wie der Name bereits verrät – um Monster.

 

"Wir ziehen unser Ding durch", lautet eine Stelle aus Bernhard Ganders King’s Message (2007), in dem er Ausschnitte aus einem Interview mit Kerry King, dem Mitbegründer und Gitarristen der Band Slayer, verwendet, "Wenn du die Musik nicht magst, hör sie dir nicht an", eine andere. Er habe diese Ausschnitte verwendet, weil sie seinen eigenen Zugang zu Musik widerspiegeln, sagt Gander. Tatsächlich charakterisiert den Komponisten eine Unbeirrbarkeit und Konsequenz, mit der er auch ungewöhnliche Ideen in seine Werke einbaut. So kombiniert er in deathtongue (2012) Texte von Death Metal Bands mit den lateinischen Texten des Requiems und lässt die Musiker und Sänger ihre Gesichter weiß bemalen. In take death, einem Werk für großes Ensemble, das im Herbst seine Uraufführung in Frankfurt haben wird, beantwortet er die Opferung der Jungfrau im Sacre du Printemps mit einem Rachefeldzug derselben gegen ihre Peiniger und bezieht sich dabei auf Songs der Band Cannibal Corpse. Dass die Texte und Covers dieser Band auf Grund ihrer expliziten Darstellung von Gewalt zum Teil indiziert sind, sieht Bernhard Gander als Teil des Genres, ein Responseprojekt mit Jugendlichen rund um die Uraufführung des Werks in Frankfurt wird dadurch allerdings verhindert.

 

Noch einmal lovely monster. Der Titel des Orchesterwerks ist ein Paradoxon, zu dem Gander lachend bemerkt, dass man die Monster aus Horrorfilmen einfach lieben müsse, wenn man sich länger mit ihnen beschäftige. Vielleicht deutet er damit den wichtigsten Punkt in seiner Musik an. Die Ernsthaftigkeit, mit der er akribisch und minuziös an seine Kompositionen herangeht, verleitet ihn nie dazu, sich und seine Kunst zu ernst zu nehmen. Gander ist ein Meister der ironischen Brechungen und doppelten Böden. Die Aussage des erfolgreichen, von großen Orchestern und wichtigen Ensembles gespielten Komponisten, Metal sei die einzige wahre Musikrichtung, ist wohl auch in diesem Kontext zu lesen.

 

 

Axel Petri-Preis: "Die einzige wahre Musikrichtung". Bernhard Gander und der Metal (19.2.2013). terz.cc (ISSN 2225-8795), 1/2013 Metal zwischen Kitsch und Avantgarde, http://terz.cc/magazin.php?z=294&id=296. 

 

 

LINK:

 

Interview mit Bernhard Gander